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Politik: Ein Tarif für alle?

Zahnersatz verschärft Rivalität zwischen privaten und gesetzlichen Kassen – und beschäftigt vor allem die Juristen

Die euphorische Stimmung ist schnell verflogen: Zu viele Fragezeichen stecken in dem 20-seitigen Kompromisspapier zur Gesundheitsreform, auf das SPD, Grüne, Union und Liberale sich in der Nacht zum Montag verständigt haben. Völlig unklar ist vor allem, ob und wie die geplante Zusatzversicherung für den Zahnersatz realisierbar ist. Ab 2005 sollen gesetzlich Krankenversicherte die Wahl haben, ob sie bei AOK, Barmer und Co. oder aber bei den Privaten Krankenversicherungen (PKV) eine Zusatzpolice abschließen. Der Wettbewerb müsse „fair“ sein, heißt es vage, die rechtlichen Grundlagen müssten „nach entsprechender Prüfung“ hergestellt werden.

SPD und Grüne wollten den Zahnersatz im Kassenkatalog belassen, Union und FDP beharrten auf einer Privatisierung – getroffen haben sich die Unterhändler in der Mitte. Ein Kompromiss, der vor allem die Juristen des Gesundheitsministeriums in den kommenden Tagen beschäftigen wird. Wie eine rechtlich wasserdichte Lösung aussehen könnte, ist nicht absehbar. Die Grünen-Gesundheitsexpertin Biggi Bender sagte dem Tagesspiegel, sie sehe bei der Zahnersatz-Regelung noch „erheblichen Beratungsbedarf“.

Bender bezweifelt, „dass die Privatwirtschaft mit der Lösung glücklich wird“. Die PKV hatten darauf gesetzt, den Zahnersatz (3,5 Milliarden Euro im Jahr) für die rund 70 Millionen gesetzlich Versicherten zu übernehmen. Der Verband hatte bei einer obligatorischen Versicherung einen Monatsbeitrag von 7,50 Euro in Aussicht gestellt – allerdings ohne Altersrückstellungen, die üblicherweise in den PKV gebildet werden. „Die Bedingungen für diese Prämie sind nicht mehr gegeben“, sagt Gesundheits-Staatssekretär Klaus Theo Schröder.

Die Vorsitzende des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen (VdAK), Margret Mönig-Raane, äußerte die „Sorge, dass es auch für die Versicherten der GKV teurer wird, wenn nur diejenigen mit einem geringeren Risiko zu den Privaten wechseln.“ Wer gute Zähne hat, wäre für die privaten Versicherungen ein attraktiver Kunde. Noch nicht geregelt ist allerdings, ob die PKV einen Einheitstarif anbieten muss oder ob sie die Prämien an das Risiko anpassen kann. Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen warnte vor „Rosinenpickerei“. Für PKV und GKV müssten gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen. Die gesetzlichen Kassen sind verpflichtet, jeden Versicherten unabhängig von Alter und Gesundheitszustand aufzunehmen.

VdAK-Chefin Mönig-Raane befürchtet außerdem einen „weiteren enormen Verwaltungsaufwand“, wenn die GKV privatwirtschaftliche Tochterunternehmen gründen müsste. Die Grünen-Politikerin Bender forderte die PKV auf, die bisher erworbenen Ansprüche der Versicherten aus den Bonusheften anzuerkennen. „Das ist das Mindeste“, sagte sie. Wer regelmäßig zum Zahnarzt geht, muss derzeit geringere Zuzahlungen beim Zahnersatz leisten.

Regierung und Opposition müssen zügig eine vernünftige Regelung austüfteln: Schon in der zweiten Augusthälfte will das Ministerium einen überarbeiteten Gesetzentwurf vorlegen, der Anfang September in den Bundestag eingebracht werden soll. Die Erholungspause für die Mitglieder der Verhandlungsgruppe währt also nicht lange: Bereits ab Anfang August sollen die Vertreter der Fraktionen und der Länder wieder in die Feinarbeit am Gesetzentwurf für die Gesundheitsreform einbezogen werden.

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