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Foto: promo/Susanne Schleyer (Suhrkamp)

© Susanne Schleyer

Politik: „Ein totaler Baustopp ist unrealistisch“

Der Präsident der arabischen Al-Quds-Universität rät Israel dazu, den Palästinensern mehr Rechte zu geben

Berlin - Der Präsident der arabischen Al-Quds-Universität in Jerusalem und Friedensaktivist Sari Nusseibeh rät den Palästinenser davon ab, das Einfrieren aller Bautätigkeiten in den jüdischen Siedlungen als Bedingung für die Friedensgespräche mit Israel zu machen. „Angesichts der Geschichte unserer Verhandlungen ist ein totaler Baustopp nicht zu erwarten“, sagte der gemäßigte Palästinenser dem Tagesspiegel am Rande der Verleihung des Siegfried-Unseld-Preises, den er in diesem Jahr mit dem israelischen Schriftsteller Amos Oz teilt. Gleichzeitig warnte er davor, dass der Weiterbau der jüdischen Siedlungen im Westjordanland und Ostjerusalem eine friedliche Teilung des Landes ernsthaft gefährde.

Der Philosophieprofessor zeigte auch Verständnis für die Palästinenser, die an Baustellen in jüdischen Siedlungen arbeiten. „Wer von ihnen fordert, sie sollen damit aufhören, muss ihnen eine Alternative anbieten, denn schließlich müssen sie überleben“.

Nusseibeh zeigte sich wenig optimistisch, dass die Gründung eines lebensfähigen Palästinenserstaates in absehbarer Zeit möglich sein wird. Er rief die Europäische Union, die eine der großen Geldgeber der Palästinenser ist, dazu auf, mehr Einfluss auf den Nahostfriedensprozess zu nehmen. „Wenn die Europäer die Palästinenserbehörde finanziell unterstützen, damit sie einen Palästinenserstaat errichtet, dann sollten sie einen Zeitplan für die Dauer der Verhandlungen setzen“, sagte der 61-Jährige. „Wenn sie es tun, um ihr schlechtes Gewissen zu reinigen, dann sollen sie überlegen, ob sie die Finanzierung der Infrastruktur lieber Israel als Besatzungsmacht überlassen“.

Der palästinensische Philosoph, der seit Jahren an Friedensinitiativen mit Israelis teilnimmt und jede Form der Gewalt ablehnt, ist skeptisch, dass angesichts der palästinensischen Spaltung zwischen Fatah und Hamas, „der Engstirnigkeit der israelischen Regierung und der erbärmlichen Ohnmacht der internationalen Gemeinschaft“ eine Zwei-Staaten-Lösung in absehbarer Zeit realistisch sei. Für den Fall, dass diese Gespräche scheitern und um eine neue Gewaltwelle zu verhindern, schlägt Nusseibeh vor, den Palästinensern im Westjordanland und in Gaza volle zivile Rechte, wie die der Palästinenser in Ostjerusalem zu geben, aber keine politischen. „Sie würden sich dann innerhalb Israels frei bewegen, arbeiten und wohnen können sowie Zugang zu Krankenversicherung erhalten können, aber kein Wahlrecht bekommen. Das würde die Lage beruhigen und Begegnungen zwischen Israelis und Palästinenser ermöglichen, die sich auf dieser Weise auf eine künftige Zwei-Staaten-Lösung vorbereiten könnten“.

Obwohl selbst ein Gegner der Hamas, sprach sich Nusseibeh für ein Ende der Blockade des Gazastreifens aus. Indem man den Wahlsieg der Hamas-Regierung nicht anerkannte und die Blockade verhängte, schadete man dem Friedensprozess. „An unserer Universität respektieren wir auch die Meinungsfreiheit der Islamisten, solange sie weder andere Palästinenser oder Israel Gewalt androhen“. Nusseibeh lobte die Schiffsaktion israelischer Aktivisten vor der Küste des Gazastreifens, die „ihre mutige Unterstützung“ der Menschen in Gaza ausdrückten. Durch solche gemeinsamen Aktionen könnten die politischen Führer auf beiden Seiten dazu gedrängt werden, Frieden zu schließen.

Igal Avidan

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