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Politik: Ein unentspannter Präsident

Bush verrät nur wenig über seine Pläne in der zweiten Amtszeit – schon gar nichts über personelle Änderungen in der Regierung

Die Wahl ist vorbei, gekämpft wird weiter. Wochen, ja monatelang hatte George W. Bush zwei Rollen gespielt. In Reden vor seinen Anhängern musste er leidenschaftlich sein und griffige Slogans verbreiten. In den drei Fernsehduellen mit Herausforderer John Kerry musste er Fragen beantworten und kompetent wirken. Nun steht er in einem Raum im „Old Executive Office Building“, das direkt neben dem Weißen Haus liegt, und gibt seine erste Pressekonferenz als frisch bestätigter US-Präsident. Aber gelassen oder entspannt ist er nicht. Immer wieder fällt er in seine beiden Wahlkampfrollen zurück. Man möchte ihn schütteln und rufen: „Es ist vorbei! Es ist vorbei!“

Was er präzise in seiner zweiten Amtszeit vorhat, sagt Bush nicht. Auf der Agenda stehen der Krieg gegen den Terror, die Stärkung der inneren Sicherheit und eine Reform der Sozialversicherung. Doch weder äußert er sich über Personalia noch zur Frage, wie er Amerikas Image in der Welt verbessern kann. Etwas voreilig bittet ihn ein Reporter, den Tod von Jassir Arafat zu kommentieren. Bush hält inne, wird ernst. „Gott segne seine Seele“, sagt er. Was der US-Präsident nicht wissen kann: Zu der Zeit lebt der Palästinenserpräsident offiziell noch.

Unmissverständlich indes macht Bush deutlich, dass er eine Linie hat, von der er nicht abweicht. „Ich habe in dieser Wahl Kapital gewonnen, und ich werde es für jene Ziele ausgeben, die ich den Menschen erzählt habe.“ Die Wähler hätten eine Richtung festgelegt, in die das Land gehen solle. Bush fühlt sich nicht nur bestätigt, sondern ermuntert. Er selbst hat die Wahl mit großem Vorsprung gewonnen, seine Partei ihre Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses ausgebaut. Wird er Brücken zu den Demokraten schlagen, um die Spaltung des Landes zu überwinden? Das hat er einen Tag zuvor versprochen. Diesmal sagt er: „Ich reiche meine Hand all jenen, die unsere Ziele teilen.“ Gegen Brücken hat er nichts. Aber er diktiert die Bedingungen.

45 Minuten plaudert Bush über die Wahlnacht und darüber , wie stolz sein Vater auf ihn sei. Zuvor hatte er sich mit seinem Kabinett getroffen. Anschließend wollte er nach Camp David fahren, für ein langes Wochenende nach all den Strapazen. Dass es personelle Veränderungen in der Regierung geben wird, bestreitet er nicht. Das sei „unausweichlich“. Die Spekulationen überlässt er den Reportern.

Beinahe sicher ist, dass John Ashcroft geht. Der 62-jährige Justizminister gilt als erschöpft. Der Stress im Amt setzt ihm zu. Anfang des Jahres musste ihm die Gallenblase entfernt werden. Ashcroft symbolisiert den Einfluss der religiösen Rechten auf die Regierung. Der umstrittene „Patriot Act“ trägt seine Handschrift. Abwanderungsgedanken werden immer wieder auch Heimatschutzminister Tom Ridge nachgesagt. Völlig offen ist in beiden Fällen, wer Nachfolger der Minister werden soll.

Um die Zukunft jener drei, die die Außen- und Sicherheitspolitik der Vereinigten Staaten von Amerika prägen – Außenminister Colin Powell, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice – kursieren die meisten Gerüchte. Bush selbst ist anhänglich und fordert Loyalität. Veränderungen mag er nicht. Gut möglich, dass er alle drei Wackelkandidaten bittet, vorerst zu bleiben. Falls nicht, wird er es sich nicht nehmen lassen wollen, den Abschied und die Nachfolge selbst zu verkünden. Das Weiße Haus ist ein Ort der Verschwiegenheit. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Öffentlichkeit personelle Veränderungen erfährt, bevor sie bekannt gegeben werden.

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