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Politik: Eine Frage der Ehre

Ost-Politiker wollen den Stasi-Check für ihre West-Kollegen – Marianne Birthler und Helmut Kohl auch

Von Hans Monath

Im Streit über den Umgang mit der DDR-Geschichte muss sich Marianne Birthler gelegentlich stärker zurückhalten, als es ihrem lebhaftem Temperament entspricht. Schließlich soll die von ihr geführte Behörde nicht richten oder Politik machen, sondern Akten und Fotos aufbereiten. Trotzdem hat sich die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in der Debatte über die Überprüfung westdeutscher Politiker auf Stasi-Mitarbeit nun deutlich positioniert: „Es macht durchaus Sinn, diese Frage auch im Westen zu stellen“, sagte die ehemalige Bürgerrechtlerin bei der Vorstellung des Zweijahres-Berichts ihrer Behörde am Freitag in Berlin.

Die Antwort auf die heikle Frage will Birthler zwar ausdrücklich anderen überlassen. Doch auch am Freitag lieferte sie Argumente, warum der Stasi-Check mehr nützt als schadet: „Es ist kein Misstrauensbeweis, wenn man jemandem zumutet, sich überprüfen zu lassen.“ Die Einbeziehung von Politikern und Amtsträgern sei eine „vertrauensbildende Maßnahme gegenüber der Öffentlichkeit“, ja, gar eine „Ehrensache“. Alle Entscheidungen für solche Prüfungen sollten allerdings nicht „von oben herab verordnet“, sondern mit den Betroffenen diskutiert werden, empfahl die frühere Grünen-Politikerin.

Laut geworden war die Forderung in der Debatte über die Verstrickung des Schriftstellers Günter Wallraff mit dem DDR-Geheimdienst. Mit der Rückgabe der Rosenholz-Dateien steht zudem bald umfangreiches Material über DDR-Auslandsspione zur Verfügung. Nicht nur Abgeordnete aus den neuen Ländern, sondern auch Altkanzler Helmut Kohl fordern nun, auch westdeutsche Politiker generell auf Stasi-Kontakte zu überprüfen. Im Streit um die Herausgabe seiner Stasi-Akten erwartet Kohl kommende Woche eine neue Gerichtsverhandlung.

Ausdrücklich verwahrte sich Birthler gegen den Vorwurf, ihre Behörde habe Schaden genommen, weil sie Wallraff lange fälschlicherweise als unbelastet eingestuft habe. Der Vertrauensverlust wäre eingetreten, „wenn wir nicht öffentlich eingestanden hätten, dass wir einen Fehler gemacht haben“, sagte sie. Überhaupt wünscht sich Birthler, dass sich die Debatte nicht nur „auf spektakuläre Enthüllungen“ konzentriere. Vielmehr solle diskutiert werden, „warum nicht wenige Bundesbürger ausgesprochen gleichgültig gegenüber den Menschenrechtsverletzungen in der DDR waren, sich bei Vertretern von DDR-Organen anbiederten oder sogar mit dem MfS gemeinsame Sache machten, während sie Menschenrechtsverletzungen in aller Welt heftig anprangerten“.

Der DDR-Bürgerrechtler Arnold Vaatz schlug ein vereinfachtes Verfahren für die Stasi-Überprüfung im Westen vor. Um aufwändige Arbeiten nach Einzelanfragen durch West-Behörden zu vermeiden, sollten der Birthler-Behörde Namenslisten aller Staatsbediensteten vorgelegt werden. Die Behörde soll nach Ansicht des Vize-Chefs der Unions-Fraktion die Namen identifizierter Mitarbeiter des Geheimdienstes mit der Liste vergleichen und im Verdachtsfall die Behörden informieren. Der Berliner CDU-Abgeordnete Günter Nooke verlangte eine freiwillige Stasi-Überprüfung von Politikern.

Die bislang umfangreichste Überprüfung westdeutscher Bürger durch die Stasi-Unterlagen-Behörde geht ausgerechnet auf die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus seit dem 11. September 2001 zurück. Mehr als 17 000 Mitarbeiter von Flughäfen und aus der Luftfahrtbranche wurden nach Angaben der Behördenchefin überprüft, nachdem das Verkehrsministerium dies angeordnet hatte. Die meisten dieser Mitarbeiter stammten aus dem Westen. Allerdings sei in weniger als fünf Fällen belastendes Material gefunden worden, sagte Birthler.

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