zum Hauptinhalt

Politik: Eine kleine Armee als rapide Entwicklungshilfe

TIRANA .Gepanzerte Fahrzeuge der US-Armee auf den abendlichen Straßen von Tirana gehören jetzt zum Bild der Stadt.

Von Caroline Fetscher

TIRANA .Gepanzerte Fahrzeuge der US-Armee auf den abendlichen Straßen von Tirana gehören jetzt zum Bild der Stadt.Und wer sich an den Anblick der überall umherstreifenden jungen Einheimischen mit veralteten Kalaschnikows gewöhnt hat, der bekommt jetzt die hochmodernen Waffen der NATO zu sehen, die den begehrlichen Blicken von Albanern begegnen, in aller Öffentlichkeit, nicht nur auf dem schlammigen Hochsicherheitsgelände am Militärflughafen Rinas.

Indes informiert der gutgelaunte Amerikaner Tony Kaduck einen Saal voller Hilfswerker über das baldige Eintreffen von 7300 NATO-Soldaten in Albanien.Kaduck ist der direkte Untergebene von John Reith, dem Oberkommandierenden der NATO-Bodentruppen für Europa: "Wir sind hier, um Krisen-Management zu leisten, unsere Mission ist rein humanitären Charakters.Selbstverständlich assistieren und unterstützen wir nur das Flüchtlingshilfswerk UNHCR, das die Leitung vor Ort innehaben soll." Vielleicht betont er das ein wenig zu oft.Mit dem, was die Emergency-Truppe der NATO hier vorhat, kann das UNHCR kaum mithalten.

"Uns werden Ingenieure und Spezialisten für Logistik helfen, wir bringen die gesamte Ausrüstung mit", erklärt Kaduck."60 bis 100 Lastwagen von zehn Tonnen Gewicht werden eintreffen, die Straßen vom Flughafen zur Küste und von Shkoder nach Kukes sollen ausgebessert werden." Um langfristige Unterkünfte für bis zu 60 000 Flüchtlinge wollen sich die Soldaten kümmern, um Wasserversorgung und Hygiene wie um raschen Transport von Menschen und Hilfsgütern.Eine kleine Armee mit zivilen Aufgaben bringt mithin die rapideste Entwicklungshilfe ins Land, die denkbar wäre.Als ginge es nicht allein darum, die zivile Infrastruktur zu verbessern, sondern auch um das Vorbereiten des Geländes - Kaduck nennt es "the theater" - für künftige militärische Aufgaben - eine Herkulesarbeit.

Die andere Armee im Land, die der Kosovo-Befreier UCK, arbeitet derweil unter schlechten Konditionen aber mit enormer Energie an ihrem Konzept."Wir verfolgen unsere Pläne, die NATO ihre", gibt Xhevat Fetahaj, Sprecher der UCK in der Küstenregion Durres zu Protokoll.

An einem langen, wackligen Tisch im Restaurant Drenica, wo sich junge UCK-Rekruten treffen, um weitere Einsatzorders zu erhalten, erklärt Fetahaj die Situation.Ungeduldig spielt der sechsunddreißigjährige Mann mit dem Handy, das auf der Plastiktischdecke liegt.Daß jeden Tag etwa zwei- bis dreihundert neue Rekruten eintreffen, sagt er, daß alle inzwischen gut ausgerüstet und trainiert werden.Interessiert verfolgen die Bewacher des Restaurants, das Journalisten am liebsten mit dem UCK-Presseausweis betreten, Fetahajs Worte.In deutschen und amerikanischen Uniformen, auf deren Ärmel das UCK-Abzeichen aufgenäht ist, mit schweren Maschinenpistolen und Funkempfänger im Ohr, sichern die Männer das kleine, improvisierte Lagezentrum mit Gittertür zur Straße und einer überdachten Terrasse zum Strand, wo zwischen Müll und halbfertigen Häusern Flüchtlingskinder Fußball spielen.

In Bussen oder zu Fuß kommen Rekruten hier an, entweder aus der albanischen Diaspora - per Fähre aus Bari und Ancona - oder zurück vom ersten Training in den UCK-Camps Kukes, Bajram Curri und Krume."Ich bin gekommen, um zu kämpfen und zu sterben" sagt der sechzehnjährige Labinot Bislimi, der in Lyon, wo seine Familie seit zehn Jahren lebt, die Schule abgebrochen hat, um sich der UCK anzuschließen.Zwei Wochen Training hat der Junge schon hinter sich, am Flugabwehrgeschütz.Sein Vetter und sein Vater sind beide auch in der UCK, die Mutter hat ihn ziehen lassen."Wenn ich überlebe ist das ein Geschenk, eine Dreingabe.Es ist aber nicht das, was ich erwarte." Kühl, fast neutral, erklärt das der Kleine mit dem Bartflaum auf der Oberlippe und der pubertär-unreinen Haut.Er will weitersprechen, aber im Restaurant werden die Fernseh-Nachrichten eingeschaltet.Stille, als von einem Massengrab im Kosovo die Rede ist.Dann fällt, wie so oft hier, der Strom aus.Labinot Bishimi setzt sich an den Tisch, um einen Bogen weißen Papiers mit seinem selbstformulierten Gelübde für die UCK zu füllen - alle jungen Rekurten tun das."Es ist ein Geheimnis", sagt er in bemüht deutlichem Französisch, "ich darf nicht preisgeben, was ich schreibe."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false