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Politik: Eine Ohrfeige aus Washington (Leitartikel)

Deutschland hat sich blamiert. Wer immer Präsident des Internationalen Währungsfonds wird - Caio Koch-Weser wird er jetzt kaum noch heißen.

Deutschland hat sich blamiert. Wer immer Präsident des Internationalen Währungsfonds wird - Caio Koch-Weser wird er jetzt kaum noch heißen. Schon die Regeln der Diplomatie gebieten, dass alle Akteure ihr Gesicht wahren. Die Vereinigten Staaten würden Ansehen verlieren, wenn sie irgendwann ihren erbitterten Widerstand gegen den deutschen Kandidaten aufgäben. Aber schon die faktischen Macht- und Mehrheitsverhältnisse unter den 182 IWF-Mitgliedern sind so: Europa allein kann seinen Mann nicht durchboxen. Vieles deutet darauf hin, dass man jetzt einen Kompromisskandidaten suchen wird.

Deutschland ist in den internationalen Organisationen unterrepräsentiert. In dem Maße, in welchem den Deutschen international mehr politische Verantwortung zugemutet und zugetraut wird, müssen sie diese Verantwortung auch personell wahrnehmen. Das macht die deutsche Niederlage noch dramatischer: Sie wird auch zur Schlappe der Bundesregierung, die sich bei der Durchsetzung ihres Kandidaten ein wenig hemdsärmelig angestellt hat. Auch die Franzosen waren zunächst pikiert und mussten erst wieder besänftigt werden.

Dabei wird die Reputation des deutschen Finanzstaatssekretärs nicht bezweifelt. Immerhin hat Koch-Weser fünfundzwanzig Jahre lang bei der Weltbank gearbeitet, der Schwesterorganisation des IWF, zuletzt als Vizepräsident. Aber zugleich steht fest, dass die Reputation von Stanley Fischer, Kandidat der Amerikaner und zur Zeit kommissarisch IWF-Präsident, den deutschen Vorschlag weit überragt. Der international beste Mann, den die Deutschen haben, gehört wohl eher in die zweite Liga.

Die Blamage der Deutschen ist das eine. Arroganz der Amerikaner ist das andere. Wollen sie den IWF ganz für ihre Interessen instrumentalisieren? Es ist dreist, wie unbeirrt die USA sich über eine Tradition hinwegsetzen, wonach der Weltbank ein Amerikaner vorsteht, dem Währungsfonds aber ein Europäer. So richtig verständlich wird die massive Intervention auch nicht: Persönliche Netze sind in Amerika wichtiger als man denkt. Und die Beziehung zwischen Fischer und Finanzminister Laurence Summers gilt als besonders eng. Doch schon der Vorgänger Michel Camdessus galt - verglichen mit Stellvertreter Fischer - als die schwächere Figur. Was hindert die Amerikaner, am bisherigen Modell der Machtausübung festzuhalten?

Womöglich gibt es noch andere Gründe für den Widerstand der Amerikaner. Koch-Weser - ein Mann der Weltbank - hat den Ruf des Entwicklungshelfers und Verteilers. Manche befürchten, er könnte im neuen Amt auf diese Rolle zurückfallen. Der Währungsfonds entscheidet über Kredite an Länder, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Er befindet zugleich darüber, welche strukturellen wirtschaftspolitischen Auflagen diesen Ländern gemacht werden, damit sie ihre Kreditwürdigkeit nicht verspielen. Ein Währungsfonds, der allzu lax agiert, würde - mehr noch als bisher - zum Finanzhelfer der Not aller Welt missbraucht. Das haben - nicht nur in Amerika - viele dem IWF während der Asienkrise im vergangenen Jahr vorgeworfen. Radikale Liberale wollen deshalb den Fonds am liebsten ganz abschaffen.

Dass die Personalpolitik internationaler Organisationen in Zeiten der Globalisierung an Bedeutung gewinnt, ist verständlich. Schon bei der Besetzung des Chefpostens der Welthandelsorganisation hat sich das gezeigt. Gegen Wettbewerb der Besten um das Spitzenamt ist nichts einzuwenden. Bislang sah das Verfahren allerdings mehr nach Intrige als nach Konkurrenz aus.

Rainer Hank

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