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Politik: Eine Pforte zum Frieden

Von Charles A. Landsmann

Israel hat die erste Regierung, die nur ein Thema kennt: die Loslösung von den Palästinensern. Likud und Arbeitspartei wollen dieses Ziel in einer neuen „Regierung der nationalen Einheit“, einer großen Koalition, zu der eventuell Ultrareligiöse stoßen, erreichen. Allenfalls ein MegaAnschlag kann sie noch davon abhalten. Wie und wo das in einem Jahr endet, wenn der Gazastreifen und das nördliche Westjordanland frei von israelischen Soldaten und Siedlern sein werden, lässt sich ahnen: Ihres Zweckes beraubt, ohne weitere gemeinsame Ziele und Absichten wird die Regierung auseinander brechen. Dann werden vorzeitige Neuwahlen unvermeidlich.

Es sei denn, Ministerpräsident Ariel Scharon und Arbeitsparteichef Schimon Peres verstehen den Truppenrückzug und die Räumung von Siedlungen als erste Etappe einer wirklichen, umfassenden Loslösung Israels von den Palästinensern und des endgültigen Abzugs aus den palästinensischen Gebieten. Die weiteren Phasen wären dann der Rückzug aus dem gesamten Westjordanland, die Grenzziehung sowie die geografische und politische Trennung der beiden Völker in zwei koexistierende Staaten.

Zuallererst aber sind Verhandlungen nötig. Die Wiederaufnahme der Gespräche auf allen Ebenen ist unverzichtbare Voraussetzung für jeden konkreten Fortschritt. Scharon hat bereits im Blick auf die palästinensische Präsidentenwahl am 9. Januar den Kontakt geknüpft und bekräftigt, dass er jetzt, nach Jassir Arafats Tod, auch über einen koordinierten Rückzug reden will. Das lässt hoffen.

Zudem tritt nicht nur auf israelischer Seite eine neue Regierung an, auch auf palästinensischer hat nicht mehr Arafat das Sagen, sondern demnächst ein neuer Präsident und eine neue Führung. Zu – verhaltenem – Optimismus berechtigt auch, dass Schimon Peres an Scharons Seite mitregiert: ein unermüdlicher Routinier des Friedensprozesses, der – wenn nötig – querdenkt und in scheinbar aussichtsloser Lage zu Verhandlungen und schmerzlichen Konzessionen bereit ist. Peres und Scharon, der tatsächlich eine strategische Wende vollzogen hat, auf der einen Seite. Auf der anderen Mahmud Abbas als PLO-Vorsitzender und mutmaßlicher Autonomiepräsident sowie sein Ministerpräsident Ahmed Kurei, zwei Männer, mit denen die misstrauischen Israelis beste Erfahrungen gemacht haben. Ihr Wort gilt, ist glaubwürdig und wird eingehalten.

Allerdings müssen sowohl Scharon als auch Abbas mit vehementer Opposition aus den eigenen Reihen rechnen. Scharon hat es bisher brillant verstanden, seine internen Gegner auszutricksen. Bedenklich ist, dass er sie gleichzeitig mit den nach wie vor anhaltenden brutalen Militäraktionen insbesondere im Gazastreifen ruhig zu stellen versucht – mit dem Risiko, dass die palästinensische Seite das missversteht und dass jede Armee-Aktion den Extremisten als Vorwand für neue Terroranschläge dient. Ein Anschlag wiederum könnte jeden konkreten Fortschritt in Richtung Frieden verzögern oder gar verhindern.

Ebenso groß ist das Risiko, dass die Palästinenser von den Israelis missverstanden werden – etwa wenn Mahmud Abbas davon spricht, Arafats Taktik (Akzeptanz, wenn nicht gar Ermunterung zur Gewalt) und Arafats Strategie (Rückeroberung des Landes statt Verhandlungslösung) fortzusetzen. Noch tut er dies – nur weil er im Wahlkampf steht? Wenn er auch als gewählter Präsident noch Arafat kopiert, dann wäre der verhaltene Optimismus verfrüht gewesen.

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