zum Hauptinhalt

Politik: „Eine Politik der konsequenten Hand“

Der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder über Integrationspolitik, die Gesundheitsreform und Diäten

Herr Kauder, welche Voraussetzungen muss ein Ausländer erfüllen, um deutscher Staatsbürger zu werden?

Wenn man deutscher Staatsbürger werden will, muss man sich zu diesem Land bekennen. Man muss von seiner Geschichte und seiner Kultur etwas wissen. Außerdem muss man eine bestimmte Zeit rechtmäßig hier gelebt haben.

Okay, Sie haben bestanden.

Wieso bestanden?

Das war die Frage Nummer sieben aus dem hessischen Einbürgerungstest. Der ist eine der vielen Reaktionen darauf, dass neuerdings das Thema Integration hoch auf der politischen Agenda steht. Warum jetzt erst?

Für mich steht das Thema schon lange auf der Agenda. Der konkrete Fall der Berliner Rütli-Schule hat das Thema aber in den Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Daran, aber auch an vielen anderen Beispielen kann man sehen, dass viel zu wenig unternommen worden ist, damit junge Menschen Perspektiven für die Zukunft haben. Solche Perspektiven haben sie nur, wenn sie Deutsch können. Nur dann können sie dem Schulunterricht folgen und danach auch eine Ausbildung erfolgreich bewältigen. Zweitens muss dafür gesorgt werden, dass Gewaltfreiheit als Prinzip des Zusammenlebens selbstverständlich ist. Wenn ich höre, was insbesondere Mädchen von Zuständen auf Schulhöfen berichten – das ist nicht zu akzeptieren.

Muss sich die Politik nicht vorwerfen lassen, und zwar parteiübergreifend, das Problem verschlafen zu haben?

Es hat sicherlich Versäumnisse gegeben. Ausländerkinder beklagen ja inzwischen selbst ihre Ghettoisierung in einzelnen Stadtteilen. Und wenn schon die Eltern nicht mitten in dieser Gesellschaft leben, weil sie kein Deutsch sprechen, können sie ihren Kindern auch nicht auf dem Weg in diese Gesellschaft helfen. Ein ganz entscheidender Fehler war, dass man die Integrationsprobleme verdrängt hat mit dem Satz „Multikulti ist schön, da müssen wir nichts tun“.

Und was ist mit dem Satz „Deutschland ist kein Einwanderungsland“? Die Grünen-Chefin Claudia Roth wirft CDU und CSU vor, sie hätten die Probleme mitverursacht, weil sie die Einwanderung lange geleugnet hätten.

Das ist ja ein absoluter Unsinn. Wer sieben Jahre lang in der Regierungsverantwortung keinerlei Beitrag zur Integration geleistet hat, hat jetzt kein Recht, so zu reden. Die rot-grüne Multikulti-Ideologie hat dazu beigetragen, dass man das Problem nicht ernst genug genommen hat. Wenn wir damals von Integration gesprochen haben, kam aus der grünen Ecke sofort der Vorwurf, wir wollten die Leute „germanisieren“. Wir sind als Ausländerfeinde abgestempelt worden. Aber ich muss sagen, ich finde diese Art von Rückblick im Grunde sinnlos. Das bringt uns nicht weiter.

Dann lassen Sie uns also darüber reden, was denn helfen könnte.

Ich will vorausschicken, dass die Politik gut beraten ist, wenn sie sich Rat von Fachleuten einholt. Wir können auch nicht in jedem Einzelfall sagen, was das Richtige ist; dafür gibt es Sozialarbeiter und Pädagogen. Konsequente Bestrafung und – wenn nötig und möglich – konsequente Abschiebung müssen bei der Anwendung von Gewalt allerdings auch sein.

Was hilft das der Integration?

Ich habe mit jungen Leuten gesprochen. Die haben mir gesagt, sie hätten keinen Respekt vor diesem Land, weil sie machen könnten, was sie wollten, und sich keiner wehre. Das muss aufhören. Wer Deutscher werden oder in Deutschland leben will, muss Respekt vor diesem Land haben. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich junge Männer, die auf dem Schulhof brutal prügeln, von ein paar Tagen im Jugendarrest durchaus beeindruckt zeigen.

Wenn wir das eine Politik der harten Hand nennen, wäre das falsch?

Ich würde es als Politik der konsequenten Hand bezeichnen. Allemal besser als schlaffes Multikulti. Aber wie immer man das nennt, wichtig ist, dass wir endlich das Richtige tun. Wobei ich mir natürlich darüber im Klaren bin, dass das Problem allein mit Polizei und Ausländerrecht nicht zu lösen ist. Deshalb habe ich ja auch einen Integrationsgipfel vorgeschlagen, bei dem Bund, Länder und Kommunen miteinander beraten, was jeder in seinem Verantwortungsbereich unternehmen muss.

Bleibt eine solche Gesprächsrunde nicht bloß wieder bei unverbindlichen Absichtserklärungen?

Im Gegenteil. Dieser Gipfel soll konkrete Ziele im Sinne einer Selbstverpflichtung definieren, und zwar für jeden Beteiligten, Bund, Länder, Kommunen. Es soll zugleich ein Zeitplan festgelegt werden mit Marken, bis zu denen diese Ziele erreicht sein sollen, und mit weiteren Zeitmarken, zu denen das überprüft wird.

Was sollte Ihrer Meinung nach der Bund an Ideen beisteuern?

Ich will drei Punkte nennen, an denen wir uns Gedanken machen müssen. Das Wichtigste ist, dass wir ganz früh bei der jungen Generation beginnen mit Sprachunterricht und mit dem Einleben. Wir müssen außerdem fragen, ob nicht unser Sozialsystem Fehlentwicklungen begünstigt. Kinder dürfen nicht daheim erleben, dass man in diesem Land den ganzen Tag im Bett bleiben kann und trotzdem vom Staat finanziert wird. Wir müssen überlegen, ob wir nicht konsequent Sozialleistungen davon abhängig machen, dass die Empfänger eine Aktivität nachweisen. Und wir dürfen nicht sehenden Auges weiter Zuwanderer in unser Land kommen lassen, ohne dass sie die Mindestvoraussetzungen für eine erfolgreiche Integration erfüllen. Und das heißt, sie müssen die deutsche Sprache einigermaßen beherrschen. Was ich von Aussiedlern verlange, muss ich von anderen doch auch verlangen können.

Können Sie sich denn vorstellen, dass der Koalitionspartner SPD das auch mitmachen wird?

Hätten Sie sich vorher vorstellen können, dass wir mit der SPD zusammen das Asylrecht im Grundgesetz ändern können? Es ist passiert, als die SPD-Oberbürgermeister lautstark Abhilfe gefordert haben. Heute rufen viele Kommunen wieder laut um Hilfe. Ich erhoffe mir von diesem Gipfel, dass endlich einmal ideologische Schranken fallen und der Blick auf die Realität frei wird.

Einigkeit mit der SPD könnte nicht nur bei der Integrationspolitik schwer zu erzielen sein. Es knirscht beispielsweise auch beim Thema Föderalismus. Macht Ihnen das Sorgen?

Grundsätzlich gilt für beide Partner: Der Koalitionsvertrag muss eingehalten werden. Wir haben den Gesetzestext der Föderalismusreform gemeinsam entworfen und in den Koalitionsvertrag aufgenommen, den der SPD-Parteitag dann verabschiedet hat. Und jetzt muss ich als Unionsfraktionsvorsitzender dafür werben, dass die SPD-Fraktion die eigenen Parteitagsbeschlüsse respektiert! Der eine oder andere SPD-Abgeordnete hat noch nicht verstanden, dass Koalitionsabsprachen eingehalten werden müssen.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse droht damit, die Reform werde im Parlament scheitern, wenn es nicht zu Änderungen kommt.

Herr Thierse macht dem von mir geschätzten Fraktionsvorsitzenden der SPD, Peter Struck, das Leben damit sehr schwer.

Andererseits haben etliche CDU-Politiker anders als im Koalitionsvertrag vereinbart eine weitergehende Lockerung beim Kündigungsschutz verlangt.

Die Maßnahmen beim Kündigungsschutz sind im Koalitionsvertrag klar formuliert. Wenn dieser Vertrag für die Union beim Kündigungsschutz gilt, worauf Vizekanzler Franz Müntefering zu Recht bestanden hat, dann muss er für die SPD auch beim Thema Föderalismus gelten. Vertragstreue darf keine Einbahnstraße sei.

Sind diese Scharmützel eine gute Voraussetzung für eine gemeinsame Gesundheitsreform, bei der es für beide Partner auch um Identitätsfragen geht?

Ich hoffe, dass es eine Lösung gibt, bei der jeder am medizinischen Fortschritt beteiligt werden kann und bei der die Kosten solidarisch und gerecht finanziert werden. Entscheidend ist für die Union, dass diese Lösung auf längere Zeit trägt, damit das Thema Gesundheit und soziale Sicherungssysteme nicht zum zentralen Thema der nächsten Bundestagswahl werden muss.

Wir dachten, es soll ein Modell werden, das beiden Seiten nach der nächsten Wahl den Weg zu einer Reform nach ihrem Herzen offen hält, hier Bürgerversicherung, dort Kopfpauschale?

Vor solchen taktischen Spielchen kann ich nur warnen. Wir müssen jetzt eine Lösung finden, die trägt, und dürfen nicht auf Wahlkämpfe schielen. Die Menschen brauchen die Sicherheit, dass sie im Krankheitsfall die notwendige Versorgung bekommen und dass Krankheit sie nicht arm macht. Wenn wir durch eine Senkung der Lohnzusatzkosten auch noch etwas gegen die Arbeitslosigkeit tun können, dann denke ich überhaupt nicht daran, einen solchen Kompromiss im Wahlkampf zur Disposition zu stellen.

Herr Kauder, stimmt es, dass sich die Bürger für eine Politik der Einschnitte leichter gewinnen lassen, wenn die Einschnitte bei den Politikern anfangen?

Ja. Deshalb bin ich auch gegen eine Erhöhung der Abgeordnetendiäten zum jetzigen Zeitpunkt.

Also auch gegen die von Bundestagspräsident Norbert Lammert vorgeschlagene Diätenanpassung in Höhe des Anstiegs des durchschnittlichen Erwerbseinkommens?

Ich finde den Vorschlag gut, glaube aber dennoch, dass wir in der jetzigen Phase sehr zurückhaltend sein sollten. Eine Anhebung könnte bei vielen Menschen falsch ankommen.

Bei vielen Menschen kommt vor allem die Altersversorgung schlecht an. Wie erklären Sie den Wählern, dass ein Abgeordneter nach acht Jahren im Bundestag schon einen Pensionsanspruch von rund 1680 Euro hat und er sich nach 18 Jahren im Parlament mit 55 Jahren bei 3800 Euro monatlich zur Ruhe setzen kann?

Ich finde, dass sowohl die Diätenhöhe …

… 7000 Euro plus 3650 Euro steuerfreie Aufwandsentschädigung …

… als auch die Höhe der Altersversorgung in den 90er Jahren sachgerecht geregelt wurden. Ich weiß, dass es daran immer Kritik geben wird. Dennoch ist klar: Niemand wird Abgeordneter, um damit viel Geld zu verdienen. Aber wenn die Entschädigung und die Altersversorgung nicht angemessen sind, werden wir viel schwerer gute Kandidaten finden.

Die SPD will einer Diätenerhöhung nur zustimmen, wenn die Altersversorgung gekürzt wird.

Ich sage ja: Eine Diätenerhöhung passt jetzt nicht in die Zeit.

Die Fragen stellten Robert Birnbaum, Cordula Eubel und Stephan Haselberger. Das Foto machte Thilo Rückeis.

Zur Person:

TEUFELS BEGLEITER

Von 1991 bis 2005 war Volker Kauder (56) Generalsekretär der CDU in Baden-Württemberg. Er hatte sein Amt genauso lange inne, wie Erwin Teufel in Stuttgart Ministerpräsident war. Erst mit dem Wechsel zu Günther Oettinger verließ Kauder seinen Posten.

MERKELS BEGLEITER Obwohl die Baden-Württemberger mit dazu beigetragen hatten, dass Angela Merkel 2002 Edmund Stoiber den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur ließ, entschied sich die CDU-Vorsitzende im Januar 2005, Kauder zum Generalsekretär der Bundes-CDU zu machen, gleichzeitig übernahm er auch das Amt des 1. Parlamentarischen Geschäftsführers in der Bundestagsfraktion. Seit November 2005 führt er die Unionsfraktion. Tsp

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false