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Politik: Eine Regierungsbeteiligung der FPÖ ist anscheinend ausgemachte Sache - selbst die Sozialdemokraten haben resigniert

In manchen Kreisen nennt man es einen "inneren Reichsparteitag". So obenauf hat man FPÖ-Chef Jörg Haider lange nicht gesehen.

In manchen Kreisen nennt man es einen "inneren Reichsparteitag". So obenauf hat man FPÖ-Chef Jörg Haider lange nicht gesehen. Mit kaum verhohlenem Triumph registriert der Rechtsaußen der österreichischen Politik: Nach drei Jahrzehnten Vorherrschaft der Sozialdemokraten (SPÖ) und 13 Jahren Machtaufteilung im Bündnis von SPÖ und konservativer Volkspartei (ÖVP) fällt den lange isolierten "Freiheitlichen" die Regierungsbeteiligung zu wie eine reife Frucht.

Mehr als ein Vierteljahr nach der Parlamentswahl soll jetzt alles ganz schnell gehen. "Entweder steht nächste Woche eine Vereinbarung oder es gibt keine", waren sich die Verhandler von FPÖ und ÖVP einig, bevor sie am gestrigen Dienstagabend die Gespräche über eine Regierungsbildung aufnahmen (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet).

Die SPÖ wittert Betrug

Als sich nach der Wahl am 3. Oktober 1999 der Verschleiß der bisherigen SPÖ/ÖVP-Koalition abzeichnete, hatte Bundespräsident Thomas Klestil zunächst "Sondierungsgespräche" anberaumt. Auf deren Basis könnten nun rasche Ergebnisse erzielt werden, begründet ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel den optimistischen Zeithorizont.

Die Sozialdemokraten fühlen sich düpiert. Immer noch wirbt der SPÖ-Vorsitzende und amtierende Kanzler Viktor Klima für eine Minderheitsregierung, schließlich hat Bundespräsident Klestil ihn genau dazu beauftragt. Doch das hilft der SPÖ und Klima nun auch nicht mehr weiter. Dass "Freiheitliche" und Konservative jetzt gar so schnell an einen Tisch kommen, lässt die Sozialdemokraten Betrug wittern.

Insgeheim habe sich die ÖVP offensichtlich schon mit Haiders Leuten verständigt, als sie offiziell noch mit der SPÖ verhandelten, meinen führende SPÖ-Politiker. Das Platzen der Gespräche über einer Wiederauflage der bisherigen Koalition hätte ÖVP-Chef nach dieser Lesart bewusst provoziert.

Die Konturen einer blau-schwarzen Koalition zeichnen sich jedenfalls bereits sehr deutlich ab. "Ich will den Verhandlungen nicht vorgreifen, aber Sie können davon ausgehen, dass ich Kanzler werden will," erhob ÖVP-Chef Schüssel bereits vorsorglich Anspruch auf die Führungsposition im neuen Kabinett. Aus der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt signalisierte Haider postwendend Zustimmung. "Ich bleibe in Kärnten", bekräftigte der 49jährige "Freiheitlichen"-Führer eine Zusicherung, die er vor der Wahl zum Landeshauptmann (Regierungschef) im südlichen Bundesland gemacht hatte. Allerdings wird er sich deshalb in Zukunft keineswegs von seinem langfristigen Ziel abbringen lassen: das heißt nach wie vor Bundeskanzler, auch wenn es noch einige Umwege kosten mag.

FPÖ-Spitzenkandidat Thomas Prinzhorn nannte die Kompensationsforderung seiner Partei auch prompt: "Das Finanzministerium wäre die logische Alternative beim Verzicht auf das Kanzleramt."

Haider hat von der ÖVP ein Koalitionsabkommen "innerhalb von maximal zehn Tagen" verlangt. Er erwarte "sehr schwierige" Verhandlungen. Sollten diese scheitern, wären Neuwahlen die logische Folge, betonte Haider, dessen Partei nach jüngsten Meinungsumfragen an der Spitze der Wählergunst steht. Der ÖVP würden hingegen den Umfragen zufolge dramatische Stimmenverluste drohen.

Da inhaltliche Stolpersteine nicht in Sicht sind, muss die Hauptsorge des geschäftsführenden Außenministers Schüssel dem negativen internationalen Echo auf eine Koalition mit den Rechtspopulisten Haiders gelten. "Die Koalitionsvereinbarung wird deutliche Worte zur Vergangenheit, zum Umgang mit den Opfern des NS-Regimes und zur internationalen Solidiarität enthalten. Sonst stehen wir nicht zur Verfügung", sprach Schüssel am Dienstag Klartext. Die Proteste aus Israel lassen Schüssel anscheinend noch kalt, zumal Sanktionen wie die Abberufung des Botschafters nur für eine Beteiligung Haiders an der Regierung angedroht sind. "Ich werde mich zur israelischen Reaktion äußern, wenn sie erfolgt ist", spielt Schüssel auf Zeit.

Oberbürgermeister hat Verständnis

Die Sozialdemokraten scheinen sich mit dem Machtverlust abgefunden zu haben. "Ich könnte dem Bundespräsidenten keinen Vorwurf machen, wenn er zwei Parteiführern mit einer Mehrheit im Parlament die Regierungsbildung überlässt", zeigte Wiens Oberbürgermeister Michael Häupl am Dienstag Verständnis für die heikle Situation des Staatsoberhaupts. Häupls Worte sind auch ein Hinweis auf einen Sinneswandel Klestils, der bisher eine Regierungsbeteiligung der FPÖ aus Angst vor Isolation Österreichs in Europa verhindern wollte. Sozialdemokrat Häupl gilt als enger Vertrauter des Präsidenten, der urprünglich aus den Reihen der ÖVP hervorgegangen ist. Immerhin war der Wiener Bürgermeister Trauzeuge bei Klestils zweiter Eheschließung.Die Partei im Internet: www.fpoe.or.at

Über die Stimmung in Österreich mit den aktuellen Umfrageergebnissen zu den möglichen Koalitionen: www.vol.at .

Ulrich Glauber

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