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Politik: „Eine Soko Sauerkraut wäre auch verletzend“ Warum der Begriff Döner-Morde

für Mehmet Daimagüler das Unwort des Jahres ist.

Herr Daimagüler, in einem Brief an die Jury haben Sie „Döner-Morde“ als Unwort vorgeschlagen und über Facebook viele Anhänger dafür gewinnen können. Spüren Sie jetzt Genugtuung?

Nein, das ist das falsche Wort. Es ist aber eine beruhigende Nachricht, anscheinend leide ich nicht an einer Ausländerparanoia. Es tut den Migranten gut, dass dieses Land auch mitfühlend ist und nicht nur aus Ignoranten, Rechten und Thilo Sarrazin besteht. Wir leben ja in einer Welt, in der zum Beispiel auch gedankenlos von der „Produktion von Kopftuchmädchen“ gesprochen wird. Da ist es gut, wenn die bürgerliche Mitte sagt, das ist eine Sprache, die nicht unserem Zivilisationsniveau entspricht.

In Ihrem Brief an die Jury heißt es unter anderem: „Ermordet wurden nicht Döner, sondern Menschen. Hier wurden die Opfer noch nach ihrem Tod beleidigt, in dem man sie zu Dingen degradiert.“ Was haben Sie gedacht, als Sie selbst das Wort erstmals hörten?

Zunächst war ich natürlich geschockt, als überhaupt bekannt wurde, wer hinter diesen Morden steckt. Als ich dann von der Soko Bosporus hörte und eben von diesen „Döner-Morden“, war ich umso erschrockener. Denn mit diesen Begriffen werden Menschen, die von Rechtsradikalen ermordet wurden, posthum zu Fremden erklärt, ja quasi posthum ausgebürgert. Der Bosporus ist weit weg und Döner, das ist ja auch nichts Deutsches.

War der Brief an die Jury spontan?

Nicht ganz. Ich habe eine Nacht drüber geschlafen und ihn dann geschrieben. Es ist einfach ungeheuerlich, ich stellte mir vor, was wohl wäre, wenn in der Türkei zehn Menschen aus Deutschland getötet worden wären und man hätte die Soko „Sauerkraut“ genannt. Das ist eben nicht nur verharmlosend, wie jetzt die Jury in ihrer Begründung schreibt, sondern extrem verletzend. Sprache kann auch eine gefährliche Geisteshaltung offenlegen.

Wie waren die Reaktionen auf den Brief?

Er war erst nicht öffentlich, ich hatte nur auf meiner Facebook-Seite darüber geschrieben, aber dann habe ich so viel Zuspruch erfahren, dass ich den Brief ins Netz gestellt habe. Es war schön, dass ganz viele Menschen, Jung und Alt, Ausländer und Deutsche, das unterstützt haben. Das hat mir Hoffnung gemacht.

Das Gespräch führte Armin Lehmann.

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