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Politik: Eine Zeitung für den Wahlkampf

Warum Russlands Ölkonzern Jukos ein liberales Blatt übernimmt

Der Wahlkampf, zu dem in dieser Woche offiziell der Startschuss fiel, begann mit einem Paukenschlag: Der Ölgigant Jukos übernimmt – über eine dem Konzern nahe stehende Stiftung – die traditionsreiche Wochenzeitschrift „Moskowskije nowosti“. Das Blatt hatte Mitte der Achtziger eine wichtige Rolle in der Perestrojka gespielt.

Stille Teilhaberschaft kennt Russland bisher nicht. Und bei dieser Übernahme geht es ohnehin nicht um Gewinn. Es sei völlig ausreichend, so Irina Jassina, die früher als Wirtschaftsjournalistin in der Redaktion tätig war und jetzt Präsidenten der Jukos-nahen Stiftung „Offenes Russland“ ist , die das Blatt übernahm, wenn die Neuerwerbung irgendwann eine schwarze Null schreiben würde.

Um so größer sind offenbar Hoffnungen auf eine politische Dividende. Jukos-Chef Michail Chodorkowski hatte schon im April angekündigt, dass er Reformparteien wie „Jabloko“ und die „Union der rechten Kräfte“ unterstützen will. Planvorgabe: Mindestens 30 Prozent der Duma-Mandate. „Alles andere“, so der reichste Mann Russlands, „wäre für das Land eine Katastrophe“. Auslassungen, die nach Meinung von politischen Beobachtern wenig später der eigentliche Grund für Razzien in der Konzern-Zentrale und Verhaftungen von Top-Managern waren, denen Betrug bei der Privatisierung vorgeworfen wird. Beides hat den Wert der Jukos-Aktien inzwischen fast halbiert.

Nun holt Chodorkowski offenbar zum Gegenschlag aus: „Moskowskije nowosti“ könnte zum einen die Position der Unternehmensführung bei dem zu erwartenden Schlagabtausch mit dem Kreml unters Volk streuen. Vor allem aber könnten die Reformparteien in dem Blatt eine Plattform bekommen. Chodorkowskis Favoriten laufen momentan nämlich Gefahr, die Fünf-Prozent-Hürde zu verfehlen, weil Kompetenzgerangel der Parteiführer ein Wahlbündnis der beiden Reformparteien bisher verhinderte.

Als Chefredakteur von „Moskowkije nowosti“ wurde bereits mit Fernseh-Star Jewgenij Kisseljow einer der ganz Großen verpflichtet. Kisseljow war bereits Chefredakteur der Fernsehsender NTW, TW6 und TWS gewesen – drei Privatsendern, die durch kritische Distanz zu Russlands Präsident Wladimir Putin aufgefallen waren. NTW wurde vom Kreml unter Kontrolle gebracht, die anderen beiden wurden unter fadenscheinigen wirtschaftlichen Vorwänden geschlossen.

Drucklizenzen aber können noch leichter widerrufen werden als Sendegenehmigungen. Die neuen Verordnungen für die Tätigkeit der Medien im Wahlkampf sind so rigide, dass sich sogar der bisher nicht gerade als Glasnost-Fan aufgefallene Presseminister, Michail Lesin, genötigt sah, Protest einzulegen. So dürfen russische Medien weder eigene Wertungen der Kandidaten verbreiten, noch diese oder Parteien porträtieren, wenn nicht die jeweiligen Gegenspieler im gleichen Umfang zu Wort kommen.

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