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Politik: Einheitsfeier: Vernünftig, angemessen, gut

Ein "Gütesiegel", sagt Angela Merkel, sei das Wort "vernünftig" für sie. Und dabei setzt sie, den Kopf leicht schräg, die Augen Richtung Ponyfransen, die unschuldigste ihrer Unschuldsmienen auf.

Ein "Gütesiegel", sagt Angela Merkel, sei das Wort "vernünftig" für sie. Und dabei setzt sie, den Kopf leicht schräg, die Augen Richtung Ponyfransen, die unschuldigste ihrer Unschuldsmienen auf. Als "vernünftig" hat sie zuvor ihr Telefongespräch mit Helmut Kohl beschrieben, nachdem ein Journalist, ähnlich unschuldsmienig, gefragt hatte, ob sie dem diplomatischen Sprachgebrauch entsprechend meine, dass man kontrovers miteinander geredet habe. Nein, so einfach ist die CDU-Vorsitzende nicht aufs Glatteis zu führen - von den Medien nicht und nicht von den eigenen Parteifreunden, unter denen einige in diesen Tagen wieder einmal alles daran gesetzt haben, die politische Regel zu bestätigen, dass die Steigerung von Feind Parteifreund sei. "Ergebnisorientiert", teilt sie noch mit, sei das Telefonat gewesen. Aber welches Ergebnis es außer der Teilnahme Kohls an einer CDU-Weihestunde zum Zehnjährigen der christdemokratischen Parteivereinigung gegeben hat, diese Mitteilung überlässt sie ihrem Vor-, nein, ihrem Vorvorgänger.

"Mein Vorgänger war Wolfgang Schäuble." Darauf legt Merkel Wert. Deshalb berichtet sie an diesem Nachmittag in der CDU-Zentrale auch, dass im Rahmen des zehnjahresbedingten Feiermarathons zum Jubiläum des Einigungsvertrages ihre Partei auch eine Veranstaltung mit dessen "Architekten" plane, und zwar am 28. August. Die Einladung dazu ist zwar längst verschickt, aber es macht sich doch ausgewogener, wenn im Zusammenhang mit der offiziellen Mitteilung über eine Kohl zugeeignete Jubelfeier zum Ausgleich noch der Mann gewürdigt ist, dessen Karriere der Vorgänger erst gefördert, dann zerstört hat: Wolfgang Schäuble.

An diesem Montag hat erstmals nach der Sommerpause die CDU-Spitze getagt. Man hat sich auch mit der Zukunftsplanung von Generalsekretär Ruprecht Polenz befasst. Nur dass dies in der Öffentlichkeit keinen interessiert; eher das Gerücht, Merkel wolle in Zukunft Polenz durch ihren Vertrauten, Geschäftsführer Willi Hausmann, ablösen. Die Spekulation kommt von der "Welt", die mit ihrem sonntäglichen Schwesterblatt (Parteispott: "Kohl am Sonntag") die Phalanx der publizistischen Verteidiger des Ex-Kanzlers anführt. Merkels Kommentar: "Absurd." Ein weiteres Spekulationsdokument hat sie mitgebracht. Ein Interview des Polenz-Vorvorvorgängers Heiner Geißler. Angst und Führungsschwäche, hatte er ihr, so Agenturmeldungen, bescheinigt. Er sei missverstanden worden, teilte er der Vorsitzenden mit, die das gern weitergibt. Der alte Fuchs hat das natürlich so nicht gesagt, sondern angesichts des Kohl-Schattens geraunt: "Das ist die Frage der Stärke einer Führung, und man darf nicht Angst haben."

Mit derlei Nuancen arbeitet auch Merkel an diesem Tag, da sie das christdemokratische Kohl-Sommertheater beenden möchte. "Eine gute Lösung", sagt sie, sei es, dass die CDU an dem Festakt zur deutschen Einheit teilnehme, zu dem Kurt Biedenkopf den Altkanzler nicht als Redner geladen hat. Unterstützung für die Kritik einiger CDU- und CSU-Politiker am Bundesratspräsidenten hört sich anders an. Eine "angemessene" Lösung sei es, fährt Merkel fort, dass Kohl auf einer CDU-Veranstaltung auftrete. Und auf die Frage, ob der Altkanzler in der Bundestagsdebatte über den Stand der deutschen Einheit reden soll, antwortet sie, das sei erstens Sache der Fraktion und zweitens gehe es da um aktuelle Fragen. Noch Fragen?

Die wichtigste beantwortet Helmut Kohl. Und zwar in der "Frankfurter Allgemeinen". Dort lässt er verlauten, dass er "nicht die Absicht hat, im Zusammenhang mit der beabsichtigten Regierungserklärung zum 10. Jahrestag der deutschen Einheit im Bundestag zu reden". Sein Platz in der Geschichte bleibt ihm, die Gegenwart ist seine nicht mehr. So hat Merkel stets argumentiert. Kohl scheint sich, diesmal wenigstens, dreinzufügen. Hat er wirklich eine führungsschwache, ängstliche Nachnachfolgerin?

Thomas Kröter

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