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Politik: Einig in der Disziplin

Linkspartei und WASG vor der Fusion

Dortmund - Sympathiebekundungen hören sich anders an. „Wir können uns unsere Freunde nicht schnitzen“, sagt der WASG-Vorsitzende Klaus Ernst – und der Beifall lässt darauf schließen, dass er damit vielen der fast 400 Parteitagsdelegierten aus der Seele spricht. Der Ehrenvorsitzende der PDS, Hans Modrow, wiederum mäkelt in der „Jungen Welt“, es sei „nicht gelungen, die 2005 einsetzende Dynamik in der Entwicklung der beiden linken Parteien durchzuhalten“.

Und doch: In zwei nebeneinander liegenden Sälen der Dortmunder Westfalenhallen wird ein gemeinsames Projekt vorangetrieben – die Fusion von Linkspartei/PDS und WASG zu einer gesamtdeutschen, vereinten Linken. Das geht nicht ohne Misstrauen. Aber auch die beschwörerischen Appelle fehlen nicht. Katharina Schwabedissen, Vorsitzende der WASG in Nordrhein-Westfalen, mahnt: „Unser Gegner wird sich die Hände reiben, wenn die Linke scheitert.“ Im anderen Saal appelliert PDS-Chef Lothar Bisky: „Die Chance kommt so nicht wieder.“

Die gut 60 000 Mitglieder starke Linkspartei und die WASG mit ihren rund 11 000 vor allem westdeutschen Mitgliedern haben sich deshalb zu Disziplin verdonnert. Bei einem bis zu diesem Sonntag dauernden „Abstimmungsmarathon der Extraklasse“ (Bisky) muss jeder Beschluss auch von der jeweils anderen Partei bestätigt werden, um gültig zu sein. Jedem der beiden Parteitage liegen rund 300 Anträge zu Satzung, programmatischen Eckpunkten und Verschmelzungsvertrag vor.

Bisky sagt, für viele PDS-Mitglieder sei der reale Sozialismus prägende Lebensgeschichte gewesen, für viele der neuen Genossen sei es der westdeutsche Sozialstaat gewesen. Zu beidem gebe es „kein Zurück“. Doch könnten die Erfahrungen aus beiden Systemen zusammengebracht werden. Die eigenen Anhänger beruhigt er: „Ich sehe nirgends, dass der demokratische Sozialismus auf die rote Liste der bedrohten Arten gerät.“ Viele von Biskys Genossen fürchten, die WASG wolle nur den „Irrweg der SPD“ attackieren. Doch bei den Sozialdemokraten sei auch früher „nicht alles super“ gewesen, meint PDS-Vizechefin Katina Schubert. Auch die WASG-Rebellin Lucy Redler aus Berlin, heftigste Kritikerin der rot-roten Regierungsbeteiligung in der Hauptstadt, betont in Anspielung auf Oskar Lafontaine: „Wir wollen etwas grundlegend anderes sein als die Kürzungspartei SPD der 90er Jahre“. Der 1999 zurückgetretene SPD-Chef sieht die Linke heute als Wahrerin des alten SPD-Programms.

WASG-Chef Ernst hebt hervor, es gelinge langsam, „die Gewerkschaften aus der unsäglichen Umklammerung der SPD zu befreien“. Ein Zeichen der Emanzipation sei die Ausladung von SPD-Politikern von Maikundgebungen in Bayern wegen deren Haltung zur Rente mit 67. Und Thomas Händel, Mitbegründer der WASG, sieht in seinem Verein sogar eine „absolut rekordverdächtige Erfolgsgeschichte“. Die bald Geschichte sein wird: Im Juni steht nach Urabstimmungen in beiden Parteien die offizielle Vereinigung bevor, die WASG wird in der neuen Partei „Die Linke“ aufgehen. Dann sollen Lafontaine und Bisky die Partei gemeinsam führen.

Ärger bereitet das geplante Bündnis der SPD schon jetzt. In der „Bild am Sonntag“ erklärt Vizekanzler Franz Müntefering, Lafontaine habe die SPD und die linke Idee verraten: „Er ist ein Populist, die größte Ich-AG der Republik.“ m.m./raw

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