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Politik: Einigkeit mit Grenzen

Das umstrittenste Wahlkampfthema hat die große Koalition aus dem Vertrag gelassen: die Eurofighter

2553 Tage. So lange wird Wolfgang Schüssel am Mittwoch als österreichischer Bundeskanzler im Amt gewesen sein. Oder anders herum: 2553 Tage werden am Mittwoch die österreichischen Sozialdemokraten nicht den österreichischen Bundeskanzler gestellt haben. Eine ziemlich lange Zeit für eine Partei, die zuvor 30 Jahre lang an der Macht war. Doch am Donnerstag ist diese Zeit vorbei – dann wird mit Alfred Gusenbauer ein Sozialdemokrat als Kanzler einer großen Koalition vereidigt werden.

Genau 99 Tage nach der Wahl vom 1. Oktober 2006 haben sich die Großparteien in Wien auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Auf eine Koalition, die von Anfang an alles andere als eine Wunschregierung der beiden Parteichefs Gusenbauer und Schüssel war – andererseits gab es ähnlich wie in Deutschland vor 15 Monaten kaum eine andere Möglichkeit, da Koalitionen rechts und links der Mitte nicht möglich waren. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, die Schüssel und Gusenbauer am Montagnachmittag nach ihrer abschließenden Verhandlungsrunde gaben, versuchten die beiden Koalitionäre in spe, die neue Regierung dennoch als ein Wunschteam zu verkaufen, obwohl ein gemeinsames Großprojekt fehlt. 1986, bei der Bildung der vergangenen großen Koalition, war es immerhin der österreichische Beitritt zur Europäischen Union 1995.

Relativ überschaubar sind daher die Pläne, die im 177-seitigen Regierungsprogramm aufgelistet wurden. Ein großes Demokratiepaket findet sich darin, wonach in Österreich nicht nur E-Voting eingeführt und das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt wird. Nach der nächsten Nationalratswahl soll die Legislaturperiode der Regierung von vier auf fünf Jahre verlängert werden. Ein weiteres größeres Projekt ist die Einführung einer bedarfsorientierten Grundsicherung, in der Arbeitslosengeld sowie Sozialhilfe zusammengeführt werden und die Österreicher ein Anrecht auf knapp mehr als 700 Euro an staatlichen Hilfsleistungen bekommen.

Bei den zentralen Verhandlungsthemen kamen aber allenfalls kuriose Kompromisse heraus. So wurde zum Beispiel die Frage der Luftraumüberwachung aus dem Koalitionsvertrag herausgenommen. Die ÖVP hatte mit ihrem ehemaligen Koalitionspartner, der FPÖ, vor Jahren die Anschaffung von 18 Eurofightern beschlossen. Die SPÖ war im Wahlkampf dagegen Sturm gelaufen und hatte die Kündigung des Kaufvertrags als zentrales Wahlversprechen abgegeben. Nun wird lediglich der neue Verteidigungsminister beauftragt, mit dem Hersteller EADS über Möglichkeiten der Stornierung zu verhandeln. Noch kurioser ist die Sache bei den Studiengebühren. Unter ÖVP-Ägide wurden diese, knapp 360 Euro pro Semester, eingeführt, die SPÖ wollte sie abschaffen. Nun werden sie nicht gestrichen, allerdings können Studenten, wenn sie pro Semester 60 Stunden für karitative Organisationen arbeiten, ihre Gebühren rückerstattet bekommen.

Abgesehen davon trägt das neue Regierungsprogramm, zumindest in den Grundzügen, die Handschrift der SPÖ. So ließ sich die ÖVP sogar zur Gesamtschule der Sechs- bis Vierzehnjährigen bewegen. Ebenfalls eine SPÖ-Forderung war es, dass das Kindergeld, in Österreich traditionell hoch, flexibler bezogen werden kann. Statt bisher knapp 400 Euro können Eltern, wenn sie maximal 18 Monate bei ihren Kindern zu Hause bleiben, 800 Euro pro Monat kassieren.

Dieses Entgegenkommen ließ sich die ÖVP aber, zumindest was die Ressort- Aufteilung betrifft, teuer abkaufen. Die insgesamt 20 Minister und Staatssekretäre der nächsten Regierung werden je zur Hälfte von ÖVP und SPÖ nominiert. Doch die Kernressorts gehen an die ÖVP.

Markus Huber[Wien]

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