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Einkommensverhältnisse: Frauen als "Retter" der Mittelschicht?

"Rettet die Mittelschicht!" - dieser Hilferuf gehört inzwischen zum Standardrepertoire der Politik. Bis zum Jahr 2020 drohe Millionen Menschen ein Abrutschen in die untersten Einkommensklassen. Vor allem Fachkräfte fehlten. Milliarden an Investitionen sind angeblich nötig, um diesen Trend zu stoppen.

Bevölkerungsexperten haben dagegen ein anderes Mittel parat: Mehr Frauen - auch Mütter - müssten in anspruchsvollere Berufe gelangen. Die Gestaltung der Arbeitsplätze, Karrierechancen und Bezahlung müssten dies unterstützen. Fachleute haben im Auftrag der Deutschen Bank die Bedingungen untersucht. Diese sind eigentlich günstig. Das Schlüsselwort der Zukunft lautet "Projektwirtschaft". Neue, flexible Formen der Zusammenarbeit, digital unterstützte Arbeitsplätze, mehr Teilzeitarbeit, ein gleitender Wechsel zwischen Beruf und Privatleben werden vor allem den Interessen berufstätiger Frauen entgegenkommen.

Das Szenario für 2020: In mehr Familien werden beide Elternteile verdienen - im Haushalt und im Arbeitsleben wird die Arbeit gleichmäßiger zwischen Männer und Frauen verteilt sein. Die gesellschaftliche Realität in Deutschland ist allerdings noch ziemlich weit entfernt von diesen Vorgaben. Zwar liegt die Beschäftigungsquote von Frauen in Deutschland mit 61,5 Prozent über dem OECD-Durchschnitt (56,8). Die Zahl der berufstätigen Mütter (55 Prozent) ist wegen des Kindermangels aber nach wie vor besonders niedrig. Anders bei der Teilzeitarbeit: Besonders viele Frauen (46 Prozent) im Alter zwischen 25 und 54 Jahren arbeiten nicht Vollzeit. Im EU-Durchschnitt sind es 29 Prozent. In der Praxis wird Teilzeitarbeit immer noch als Sackgasse gesehen, die eine erfolgreiche Karriere verhindert.

"Klassische Frauenberufe" bleiben erhalten

Die "klassischen Frauenberufe" werden nach den Prognosen der Forscher auch im Jahr 2020 nicht groß andere sein. 60 Prozent der berufstätigen Frauen arbeiten derzeit in sechs von 62 Arbeitsfeldern - vor allem im Gesundheitswesen, Einzelhandel und Bildungsbereich. Dies werden auch in den nächsten 20 Jahren die Wachstumsbranchen sein, in denen Frauen besonders gefragt sind.

Die schlechtere Bezahlung von Frauen trotz teilweise besserer Qualifikation im Vergleich zu den Männern ist in Deutschland besonders krass. Im Wirtschaftsraum der Europäischen Union (EU) verdienen Frauen im Durchschnitt 15 Prozent weniger als Männer. In Deutschland beträgt der Lohnabstand 24 Prozent. Unter den OECD- Ländern ist der Unterschied nur in Japan und Korea noch größer.

Frauen in Führungspositionen benachteiligt

Besonders benachteiligt sind auch hier wieder die Mütter. Im Vergleich mit kinderlosen Frauen haben sie im Alter von 45 Jahren nur 60 bis 70 Prozent der Einkommenssumme verdient. Das spiegelt sich auch in den Spitzenpositionen der Wirtschaft. 28 Prozent der leitenden Manager in Deutschland sind Frauen - der EU-Durchschnitt liegt bei 32 Prozent. Auch hier sind Mütter in der absoluten Minderheit. Ihr Anteil im Spitzenmanagement ist in den Jahren 2000 bis 2004 sogar um 5 Prozent gesunken.

Für einen Abbau der Frauenbenachteiligung in Führungspositionen haben die Forscher kein Patentrezept parat. Einige ihrer Vorschläge: Eine familienfreundlichere Personalpolitik mit mehr Teilzeit und Hilfen bei der Kinderbetreuung, Beratungen durch höherrangige - meist männliche - Kollegen oder die Herausstellung weiblicher Führungskräfte als Vorbilder. Darüber hinaus müssten die Sozialparteien für bessere Bezahlung und mehr Transparenz bei den Gehältern sorgen.

Für Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) muss sich jedenfalls noch einiges tun, damit Frauen Beruf und Familie problemlos unter einen Hut kriegen können. Frauen werden ihre Berufsziele auch nicht den männlichen Karriere-Vorstellungen anpassen, ist sich die Frauenministerin sicher. "2020 werden Frauen nicht zu den Konditionen der Männer heute zu haben sein." 

Frank Rafalski[dpa]

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