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Politik: Einmal Bundesrat – und zurück

Die Union will in der Länderkammer 121 Änderungen am Zuwanderungsgesetz beschließen. Dann geht es wieder ins Parlament

Jetzt ist die Zeit für Reformen, glauben sie in der Regierung. Die Zeit der Polarisierung und Provokation sei nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen beendet. Da lasse sich viel vernünftiger mit der Opposition verhandeln, ganz pragmatisch, ganz ideologiefrei. So die Hoffnung. Im ewigen Kampf um das Zuwanderungsgesetz aber scheint das nicht zu gelten.

Das Gesetz ist auf seiner langen Tour vom Bundestag zum Bundesrat mit dem Umweg über das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wieder im Bundesrat angelangt. Dort, in den zuständigen Ausschüssen, hat die Union mit ihrer Mehrheit erst diese Woche wieder empfohlen, die rot-grüne Vorlage abzulehnen und ihre alten Änderungswünsche in den Anhang geklebt. Darüber soll der Bundesrat selbst nun am 14. Februar beraten.

Es gibt gute Gründe, warum SPD und Grünen befürchten, dass die Union in der Zuwanderungsfrage auch jetzt keineswegs geschmeidiger agieren und im Gegenteil eine noch restriktivere Regelung erzwingen will. Denn formal hat sich die Zahl der Einwände gegen Innenminister Otto Schilys (SPD) Reformwerk noch erhöht. Noch vor kurzem hatten CDU und CSU 96 Änderungsanträge proklamiert. Auf einmal sind es 121. Und der frisch bestätigte hessische Ministerpräsident Koch untermalt die Antragsflut mit dem lauten Ruf nach „deutlichen Korrekturen“. Offenbar, so vermutet man auf Regierungsseite, habe die Union gemerkt, dass ihr die restriktive Haltung im Wahlkampf eher genützt als geschadet habe. Warum sollte sie sich plötzlich als zahmer präsentieren?

Marieluise Beck, die Ausländerbeauftragte der Regierung, befürchtet denn auch eine Verschärfung des aktuell gültigen Ausländerrechts, falls die Ausschussanträge umgesetzt würden. Die Union habe „massiv draufgesattelt, um die Substanz des Gesetzes zu verändern“, klagt die Grüne. So soll etwa das Nachzugsalter von Ausländerkindern auf zehn Jahre gesenkt werden, nicht auf zwölf, wie im Schily-Entwurf vorgesehen. Auch andere Bestimmungen zum Nachzug von Familien sollen verschärft werden. Selbst für die von allen umworbenen hoch qualifizierten Zuzügler möchte die Union den Status verschlechtern – mit einer befristeten statt unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.

Mit einem Großteil dieser Änderungen wird das Paragrafenpaket also Mitte Februar aus dem Bundesrat zurück in den Bundestag wandern, wo SPD und Grüne zunächst den alten Stand des Entwurfes wiederherstellen können, ehe die Union wieder im Bundesrat am Zug ist. Die alte Hoffnung der Regierung, einzelne unionsgeführte Länder doch noch vom eigenen Konzept überzeugen zu können, ist mit dem Regierungswechsel in Niedersachsen komplett zerstoben. Der Showdown über die Zuwanderung wird also im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat stattfinden – vermutlich Ende April. Dort herrscht mittlerweile ein Patt. Beide Seiten müssen demnach weit von ihren Maximalpositionen abrücken, soll ein Zuwanderungsgesetz doch noch in Kraft treten. In zweieinhalb Monaten muss also klar sein, ob die von Regierung und Opposition immer wieder betonte Kompromissbereitschaft mehr als eine Floskel ist.

Beck jedenfalls befürchtet schon, dass CDU und CSU das ganze Reformwerk scheitern lassen wollen und verweist auf einen Kernpunkt im Forderungskatalog der Union: die nachholende Integration von „Bestandsausländern“ wie sie im Paragrafendeutsch genannt werden. Würde man diesen Wunsch erfüllen, also den rund 2,5 Millionen bereits in Deutschland lebenden Ausländern die gleichen Integrationskurse finanzieren wie sie für die Neuen vorgesehen sind, kostete dies fünf Millionen Euro zusätzlich. „Muss man solche Forderungen ernst nehmen“? fragt Beck, um das Ganze gleich selbst als „groben Unfug“ zu bewerten.

Markus Feldenkirchen

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