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Politik: Einwanderung: Schärfer im Ton und schneller zum Ziel

Was zwischen Menschen vor sich geht, das ist in der Politik nicht anders als im richtigen Leben, hat mindestens zwei Seiten: Psychologen sprechen von einem Inhalts- und einem Beziehungsaspekt. Wenn in diesen Tagen so vehement zwischen den Parteien über Ausländer- und Einwanderungspolitik gestritten wird, dann geht es zum einen um die Sache: Wie viele neue Mitbürger brauchen wir - und welche?

Was zwischen Menschen vor sich geht, das ist in der Politik nicht anders als im richtigen Leben, hat mindestens zwei Seiten: Psychologen sprechen von einem Inhalts- und einem Beziehungsaspekt. Wenn in diesen Tagen so vehement zwischen den Parteien über Ausländer- und Einwanderungspolitik gestritten wird, dann geht es zum einen um die Sache: Wie viele neue Mitbürger brauchen wir - und welche? Wie ist das Zusammenleben zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft zu gestalten? Das ist die eine Seite. Auf der anderen geht es, wie meist, um das Wichtigste in der Politik: um die Macht. Denn wer über die nicht verfügt, kann nur reden, nicht gestalten.

Die Lautstärke der Debatte hat mit der Stärke der einen und mit der Schwäche der anderen zu tun. Wenn das alte Sprichwort gilt, wer schreie, habe Unrecht, dann ist es um die Argumente der Opposition nicht zum Besten bestellt. Aber wie das Kind im dunklen Keller braucht die Union den neuen Ton, um sich Mut zu machen. Dass er vom neuen Generalsekretär "in Lauerstellung", wie Laurenz Meyer sich nennt, mit einem Augenzwinkern vorgetragen wird - um so besser. Aber Sprüche der Güte, er sei stolz, ein Deutscher zu sein, die Ausländer hätten sich gefälligst mehr anzupassen, werden auch durch den charmantesten Dackelblick nicht besser. Denn sie zielen nur vordergründig auf sachliche Diskussion, in Wirklichkeit spekulieren sie aufs Ressentiment. Mag sein, es gelingt der Union, auf diese Weise für ausländerfeindliche Stimmungen anfällige Menschen an sich zu binden. Integration nennt man das. Aber sie kann demokratisch nur erfolgreich sein, wenn sie dann auch zu einer vernünftigen Politik sich bequemt. Man darf also gespannt sein, was für ein Konzept zur Zuwanderungspolitik der saarländische Ministerpräsident Müller erarbeitet - und wieviel er davon in seiner Partei durchsetzen kann.

Ein Gutes allerdings hat die Verschärfung des Tons. Sie bringt Dynamik in die innenpolitische Debatte. Lange hatte Gerhard Schröder nichts von einem Einwanderungsgesetz noch vor der Wahl wissen wollen. Jetzt lässt er den SPD-Generalsekretär zum Kurswechsel blasen. Wenn die Einwanderungskommission der Regierung im nächsten Jahr ihre Arbeit beendet habe, heißt es nun, dann könne man die Ergebnisse vor der Bundestagswahl umsetzen. Die Grünen wollten das schon länger. Nun scheinen sie ihren Willen zu bekommen - wenigstens, was den Zeitplan angeht. Ob sie mit den Inhalten zufrieden sein werden, steht auf einem anderen Blatt.

Die Politik ist also dabei, sich eines zentralen gesellschaftlichen Problemfeldes anzunehmen, ganz wie es Bundespräsident Johannes Rau gefordert hat. Das ist gut so. Beiden Seiten geht es dabei nicht bloß - siehe oben - um die Sache, sondern auch um die Macht. Das ist unvermeidlich. Am 9. November werden Vertreter der demokratischen Parteien gegen Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus auf die Straße gehen. Dieser Konsens ist zu begrüßen, wird aber auf Dauer den (macht)politischen Streit nicht im Zaum halten können. Auch dies ist so unvermeidlich wie gut.

Denn Streit muss sein. Eine übermächtige Regierung und eine ohnmächtige Opposition tun dem Land nicht gut. Auch dies ist eine Lehre aus den 16 Jahren des Helmut Kohl. Daher muss auch die Regierung ein Interesse an einer handlungsfähigen Union haben. Denn nur eine in sich gefestigte Opposition ist auch in der Lage zum überparteilichen Kompromiss. Und der ist in der Ausländer- und Einwanderungspolitik so notwendig wie auf kaum einem anderen Feld der Politik.

Thomas Kröter

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