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Politik: Elf-Prozess: "Erst der Atommüll aus Deutschland und jetzt Sirven"

Die überraschende Festnahme des ehemaligen Elf-Managers Alfred Sirven in Frankfurt am Samstag hat erhebliche Irritationen in Frankreich ausgelöst. Die Öffentlichkeit versteht nicht, wieso der seit drei Jahren per Haftbefehl gesuchte Sirven in buchstäblich letzter Minute den Deutschen "ins Netz gehen" konnte.

Die überraschende Festnahme des ehemaligen Elf-Managers Alfred Sirven in Frankfurt am Samstag hat erhebliche Irritationen in Frankreich ausgelöst. Die Öffentlichkeit versteht nicht, wieso der seit drei Jahren per Haftbefehl gesuchte Sirven in buchstäblich letzter Minute den Deutschen "ins Netz gehen" konnte. Die Angeklagten im Pariser Elf-Prozess werfen der französischen Justiz Versagen vor. Der Europaabgeordete und ehemalige Untersuchungsrichter Thierry Jean-Pierre spricht sogar von "himmelschreiender Inkompetenz" der Behörden.

Zwei Fragen sorgen für Ärger in Paris: Wieso wurde der von französischen Ermittlern in Manila auf den Philippinen gestellte Sirven ausgerechnet mit der deutschen Lufthansa ausgeflogen? Und wieso halten die deutschen Behörden die Schlüsselfigur der Elf-Affäre weiter fest, obwohl Sirven selbst um Auslieferung nach Frankreich gebeten hat?

Für die Pariser Justizministerin Marylise Lebranchu liegen die Antworten auf der Hand: Alfred Sirven habe aus "Sicherheitsgründen" so schnell wie möglich nach Europa transportiert werden müssen. Da er einen Flug der französischen Luftlinie "Air France" in Manila um nur wenige Minuten verpasst hatte, sei er mit der nächsten Maschine der Lufthansa geflogen. Das Verhalten der deutschen Behörden sei also tadellos: "Alles läuft korrekt nach dem Schengener Abkommen ab", sagte Lebranchu, "wir sind sicher, dass Sirven bald nach Frankreich kommen wird."

Doch die Pariser Öffentlichkeit zweifelt an den Worten der Ministerin. Schließlich hatte es zunächst geheißen, Sirven werde nach seiner Landung in Frankfurt am Samstag sofort nach Paris weitergeflogen. Seither habe es die Regierung versäumt, Druck auf die deutschen Behöden auszuüben, um die Auslieferung zu beschleunigen, heißt es in Paris. "In dieser Prozedur ist alles merkwürdig und nichts transparent", ereifern sich die Anwälte von Christine Deviers-Joncour, einer der Hauptangeklagten im Pariser Elf-Prozess. "Wir stehen am Rande eines enormen Skandals."

Sollten die deutschen Behörden Sirven nicht an diesem Montag nach Paris ausliefern, könnte sich der deutsch-französische Verfahrensstreit rasch zur Staatsaffäre auswachsen. "Die Frankfurter Justiz legt wenig Eile an den Tag", kritisierte das Pariser Boulevardblatt "Le Parisien". Ein junger Franzose ging noch weiter: "Erst laden die Deutschen ihren Atommüll in Frankreich ab, und nun schnappen sie uns auch noch Sirven weg", klagte er. Ähnlich deutschlandkritische Stimmen sind derzeit oft in Paris zu hören. Der deutsch-französische Sondergipfel von Straßburg in der letzten Woche hat an der wachsenden Skepsis nichts geändert.

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