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Elke Büdenbender, Frau des Bundespräsidenten, trifft Khalaf Ahmad und seine behinderte Tochter Maysaa in einer Zeltsiedlung.

© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Elke Büdenbender bei Flüchtlingen im Libanon: „Nicht irgendwelche Aliens, die uns überrollen“

Die deutsche First Lady Elke Büdenbender bereist für Unicef den Libanon und hört den Geschichten syrischer Flüchtlinge zu. Eine Reportage aus dem Bekaa-Tal.

Die Kinder brüllen, was das Zeug hält: „Amina, Amina“, feuern sie ein Mädchen an, das drauf und dran ist, als erste einen Wattebausch mit der Luft aus einem Luftballon über die Ziellinie zu pusten. Gewinnerin Amina sinkt mit einem Geschenk in rotem Herzchenpapier lachend auf ihren Stuhl zurück.

Es ist laut und lustig wie auf dem Kindergeburtstag, was die deutsche First Lady Elke Büdenbender bei ihrem Besuch der Organisation Kafa in der libanesischen Bekaa-Ebene erlebt. Doch das ausgelassene Spiel hat einen ernsten Hintergrund: Gewalt und sexuellen Missbrauch. Auf Aminas Geschenk klebt ein Zettel: Das Päckchen lag vor der Tür, nimmst Du es an? Amina überlegt. Nein, es könnte explodieren, sie weiß nicht, von wem es ist. Spielerisch sollen die Mädchen und Jungen hier lernen, wer ihnen Geschenke vielleicht nur macht, um sie auszunutzen. Nicht zuletzt, weil auch Sexualtäter oft mit Geschenken locken.

Elke Büdenbender ist beeindruckt, wie die Trainer, die kopftuchtragende Rana und der hipster-like Mustafa mit den Mädchen und Jungen umgehen. Zur Begrüßung hat sie jedem die Hand geschüttelt. „Hi, seid Ihr alle aus Syrien?“ Ja. „Wohnt ihr alle in der Nachbarschaft?“ Ja, mit Eltern und Geschwistern. Sie leben in Ansammlungen aus Zelten und Hütten. Die Regierung will nicht, dass syrische Flüchtlinge sich in Camps auf Dauer einrichten, so wie die Palästinenser, die nach Jahrzehnten immer noch da sind.

Vorher hat Elke Büdenbender geflüchtete Familien besucht – und erlebt, unter welch harten Bedingungen sie leben. Auch dort das gleiche Bild: Die Frau des Bundespräsidenten ist mit vollem Einsatz bei der Sache. Es ist, als wenn ihr ganzer Körper zuhört, als sie in der Dunkelheit der mit Sperrholz verstärkten Hütte hört, was Familienvater Khalaf Ahmad erzählt. Mit 14 Personen leben sie hier, seit fünf Jahren hat er seine Eltern nicht gesehen, er ist arbeitslos – und sie haben bereits 2000 Dollar Schulden angehäuft, denn selbst für das Zelt mit Küchenabteil zahlen sie rund 100 Dollar im Monat Miete.

Während sie da auf Matten am Boden sitzen, hält Khalaf seine behinderte Tochter Maysaa im Arm – nach wenigen Minuten streichelt Büdenbender dem Mädchen die Wange, ein inniges, warmes Bild. Will er zurück, fragt sie ihn – Khalaf breitet die Arme aus. Mit den Kindern? Definitiv. Dann zeigt er ihr eine Narbe am Kopf, bei Schnee und Regen sei seine Hütte über ihm zusammengestürzt. Für direkte Hilfe verweist Büdenbender auf die Kollegen des Kinderhilfswerks Unicef – als deren Schirmherrin ist sie in dieser Woche zum ersten Mal auf Reisen. Und sie verspricht: „Ich werde über ihre Situation in Deutschland erzählen.“ Bei den Nachbarn rufen sie ihr zum Abschied zu: „Besuchen sie uns das nächste Mal in Syrien!“

Unermüdlich für Unicef unterwegs

Im Libanon fährt Elke Büdenbender unermüdlich von einem Projekt zum anderen, lässt sich von geförderten Jugendlichen ihre Geschäftsideen vorstellen. Zwei libanesische Jungs, 23, die einen Crèpes-Laden aufgemacht haben, backen für sie mit Nutella, Erdbeersauce und Bananen eine Deutschlandfahne. Der 16-jährige Khodor Rammal, hat extra die Schule geschwänzt, um ihr seine Idee einer Handy-App zu zeigen, mit der man von unterwegs Klimaanlage oder Licht ein- und ausschalten kann – Smart Home made in Bekaa. Elke Büdenbender findet, der Junge sei „ein Genie“.

Auch einer jungen Stickerin gehört für einige Momente ihre ganze Aufmerksamkeit, obwohl Büdenbender bekennt, dass Sticken eher nicht ihre Welt ist. „Ich kann ganz gut mit Holz, ich kann mühelos jedes Ikea-Teil aufbauen.“ Auch die Stickerin möchte, wie eigentlich alle: ein Selfie. Wird gemacht. „Früher haben die Leute geschrieben, heute machen sie ein Selfie“, das findet Elke Büdenbender völlig okay. Mit der junge Dame gibt es ein Blümchen-Selfie. „Da sieht man gleich viel besser aus“, sagt Büdenbender lachend und verschwindet zur nächsten Jungunternehmerin.

Der Zeitplan ist längst über den Haufen, aber sie will keinen enttäuschen, auch wenn die Zeit am Ende doch nicht für alle reicht, bevor sie mit Parfum und Pickles aus Eigenproduktion der jungen Leute weiterfährt. Von diesem Unternehmergeist wünschte sie sich auch in Deutschland mehr: „Leute“ – sie drückt die Hände fest zusammen – „seid positiv. Glaubt an euch. Und wenn ihr nicht weiter wisst: fragt und holt euch Hilfe.“

Wer Elke Büdenbender auf ihrer ersten Reise als Unicef-Schirmherrin sieht, gewinnt den Eindruck, sie hat sich mit der Rolle angefreundet, die sie übernommen hat, als ihr Mann Frank-Walter Steinmeier Bundespräsident wurde. Sie, die selbständige Frau mit starkem Willen und eigenem Kopf, die bei der Hochzeit den eigenen Namen behalten hat. Die Elke Büdenbender, die mit 16 eine Ausbildung zur Industriekauffrau in einem Metallbetrieb machte, auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur und nach dem Jurastudium Verwaltungsrichterin wurde. Und nun die Frau für die guten Zwecke? Unbezahlt? Sie hat durchaus damit gehadert – aber dann hat sie sich entschieden. Und was sie macht, das will sie dann wohl auch richtig machen, also mit Engagement.

Jetzt sagt sie, unter libanesischer Sonne, in dieser Funktion könne sie „Aufmerksamkeit für Dinge generieren, die wichtig sind“. Da stehen bei ihr Bildung und Ausbildung ganz oben. Kein Kind soll zurückbleiben. „Jeder junge Mensch hat ein Talent“ und Anspruch auf Ausbildung – in Deutschland, wie im Libanon. Aufmerksamkeit will sie auch „auf die Folgen dieses furchtbaren Bürgerkriegs“ in Syrien lenken.

Nie würde Büdenbender sagen, dass sie es unangemessen findet, dass ihr Einsatz als Frau des Bundespräsidenten quasi mit eingekauft ist. Bei der Frage verweist sie an den Gesetzgeber, der etwas tun könne, wenn er meine, da sollte man etwas dran ändern. Sie als Gesetzgeberin würde es vermutlich tun. Schon aus Gerechtigkeitsgründen. Und auch wenn sie ihre Beurlaubung bei Gericht wohl noch einmal verlängern könnte, falls es eine zweite Steinmeier-Amtszeit geben sollte – es scheint ihr doch wichtig zu sein, dass sie keineswegs ihren Beruf aufgegeben hat, sondern nur beurlaubt ist. Sie wäre wohl auch ganz dankbar, wenn jemand mal einen guten Titel als Ersatz für den der First Lady einfallen würde.

Unterschiedlicher können zwei Frauen kaum sein

Einstweilen aber reist sie als solche – in dieser Woche für Unicef mit elf weißen Wagen im von den Schwarzen Panthern, einer libanesischen Spezialeinheit, begleiteten Konvoi. In Beirut entschloss sich kurzfristig auch die dortige First Lady, mit zur Besichtigung einer Agrarschule zu kommen. Prompt war das mit der Herzlichkeit so eine Sache.

Unterschiedlicher können zwei Frauen kaum sein. Die zierliche Deutsche im fließenden cremefarbenen Mantel bemühte sich nach Kräften mit Freundlichkeit und Fragen um ihre Rollengefährtin, doch es war wohl nicht nur die französische Sprache, die sie von der streng schauenden Libanesin im Pepita-Jackett trennte. Während das helle Büdenbender-Lachen immer wieder durch den Garten wehte, war die tiefe, rauhe Stimme von Nadia Aoun kaum einmal zu vernehmen. Beim Pflanzen von zwei Olivenbäumen (ein Symbol für Frieden, Leben und Fruchtbarkeit) ergriff sie allerdings für die Fotografen des Palasts die Initiative.

"Willkommen bei der ersten Dame", steht auf dem Geschenk, das Elke Büdenbender bekam.

© Ingrid Müller

Büdenbender reist in politisch aufgewühlten Zeiten. Im Libanon hoffen sie gerade endlich eine neue Regierung zu bilden, daheim versuchen alle damit umzugehen, dass die Kanzlerin soeben ihren Abschied von der Macht verkündet hat. Und nicht zuletzt die Debatte um syrische Flüchtlinge wird ihren Mann am Donnerstag zu einer Diskussion ins aufgewühlte Chemnitz führen.

Derweil erfährt seine Frau, wie Syriens Nachbar Libanon mit den Menschen umgeht, die dorthin vor Krieg und Zerstörung geflohen sind. Das Land mit seinen rund vier Millionen Einwohnern, das halb so groß ist wie Hessen, hat rund 1,5 Millionen Syrer aufgenommen. „Wir haben in Deutschland auch eine Million Flüchtlinge aufgenommen, aber das ist nochmal mehr, viel mehr“, sagt Büdenbender anerkennend. „Ein Viertel sind Flüchtlinge.“ Kein anderes Land hat im Vergleich zu seiner Einwohnerzahl mehr Flüchtlinge aufgenommen.

Integration? Ein heikles Wort

Doch ohne Reibereien geht es bei aller Aufnahmebereitschaft auch im Libanon nicht. „Sie fördern also die Integration?“ fragt Elke Büdenbender den Vizechef der Organisation mit der irritierenden Abkürzung LOST, Assem Chraif. Die Organisation arbeitet mit Libanesen und Syrern, um ihnen Arbeitschancen zu eröffnen und begleitet auch die jungen Unternehmer auf ihrem Weg.

Syrern und Libanesen gleichermaßen zu helfen, das findet Büdenbender besonders wichtig, „damit sich keine Aggressionen aufstauen“. Würden nur Syrer Hilfe erhalten, wäre Krach programmiert. Doch Chraif betont auch, dass die Syrer mit den Fertigkeiten, die sie in ihren Projekten lernen, gut für die Rückkehr vorbereitet seien.

Jetzt aber hört Elke Büdenbender erst einmal, Integration sei hier ein heikles Wort. Beide Seiten hätten durchaus Probleme miteinander, viele Libanesen betrachteten die Syrer als „Bürde oder Bedrohung“ – was zum Teil wohl auch mit der Zeit nach dem Bürgerkrieg im Libanon zusammen hängt. Syrer sähen Libanesen auch schon mal als „potentielle Rassisten“, erzählt Chraif. Er will deshalb lieber von Ko-Existenz reden. Auch wenn andere engagiert davon berichten, dass viele Libanesen während des Bürgerkriegs in Syrien Zuflucht gefunden hätten und jetzt etwas zurückgeben wollen. Büdenbender lächelt, ja Integration ist ein sensibles Thema.

Alles in allem ist sie beeindruckt, wie sie im Libanon all die Herausforderungen meistern. „Wie gut und friedlich“ Libanesen und Syrer auch nach dieser langen Zeit von mehr als sieben Jahren Bürgerkrieg im Nachbarland zusammen lebten, sei für sie ein „Vorbild für die Welt“, betont sie in einer Tischrede. Und für die derzeit oft so sehr mit der Lage im eigenen Land hadernden Deutschen hat sie einen Rat.

Nach ihrem Besuch hofft Elke Büdenbender, dass sich die Deutschen daran ein Beispiel nehmen. „Ich finde, gerade wir in einem reichen Land sollten Solidarität üben. Wir profitieren von der Globalisierung. Davon sollten wir ein Stück zurückgeben. Wir müssen immer sehen, dass Menschen kommen und nicht irgendwelche fremden Aliens, die uns ,überrollen’.“

Es fehlt Geld

Weiter geht es zur Ibtihaj Kaddoura public school in Beirut, wo sie schon Anfang des Jahres mit ihrem Mann, dem Bundespräsidenten, war. Hier unterrichten sie inzwischen im Zweischichtsystem. Nachmittags lernen vor allem syrische Kinder. In diesem Jahr haben sie lange Wartelisten syrischer Kinder, erzählt der Schulleiter. Er hofft, dass sie ab kommendem Jahr wieder zurückkehren. Da für die Finanzierung in diesem Jahr 40 Millionen Dollar fehlen, dürften sie derzeit nicht mehr Kinder aufnehmen. Bildungs-Staatssekretär Fadi Yarak ist das ein bisschen unangenehm. Am Ende würden sie die Kinder schon in die Schule bringen und sehen, was passiert.

Dann aber wendet er sich unter Hinweis auf die reicheren Länder doch an die deutsche Besucherin. Es fehlten 25 Prozent des Budgets. Die Deutschen seien die großzügigsten Geber, sagt Yarak. Seit Beginn der Krise hat Deutschland rund eine Milliarde Hilfe im Libanon geleistet. "Wir fragen die Deutschen nicht nur um Geld, sondern auch um Unterstützung", sagt Yarak nun. Sie sollen sich bei anderen Ländern für mehr Unterstützung stark machen. „Wenn andere es so gut machen würden wie Deutschland“, holt Yarak aus. Büdenbender antwortet knapp: „Die Botschaft ist angekommen.“ Da ist sie wieder, diese merkwürdige Rolle der First Lady, die kein Amt ist.

Natürlich wünschte Elke Büdenbender sich, dass die Finanzierung der Ausbildung in diesem Jahr gesichert wäre. Sie sieht Vorteile für die Gesellschaft auch jenseits des Arbeitsmarktes. Sie ist überzeugt, wenn junge Menschen für sich eine Zukunft sehen, „gehen sie nicht Terroristen auf den Leim“.

Wenn die Welt Libanon und auch Schulen für die Geflüchteten weiter mitfinanziert, können vielleicht auch mehr von den ausgelassenen Kindern zur Schule gehen, die Elke Büdenbender beim Wattebausch-Wettrennen kennen gelernt hat. Am Ende eines langen Tages fragt sie: „Wer von euch geht in die Schule?“ Nur wenige Finger gehen nach oben, ein schmächtiger Junge erzählt, dass er schon mit dem Vater auf dem Bau arbeitet. Trotz all der widrigen Lebensgeschichten zieht Elke Büdenbender nach zwei Tagen eine positive Zwischenbilanz. „Ich bin da nicht depressiv rausgegangen“, sagt sie nach vielen Gesprächen. „Ich habe das Gefühl, die Kinder haben Hoffnung.“ Sie offensichtlich auch.

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