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Politik: Empörendes Gedenken

Japans Ministerpräsident besucht Kriegsschrein – China und Südkorea protestieren

Japans Ministerpräsident Junichiro Koizumi hat am Dienstag erneut den umstrittenen Yasukuni-Schrein besucht, in dem auch Kriegsverbrecher verehrt werden, und damit scharfe Proteste in China und Südkorea ausgelöst. Die Nachbarländer werfen Tokio vor, die japanischen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg zu verharmlosen. Koizumi, der im September zurücktreten wird, pilgerte trotz Warnungen aus Peking und Seoul zu dem Schrein in Tokio, um dort mit Kaiser Akihito den Jahrestag der japanischen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg zu begehen.

Der Besuch löste in China und Südkorea heftige Proteste aus. In beiden Ländern wurden die japanischen Botschafter einbestellt, um gegen Koizumis Besuch zu protestieren. Die Verehrung der Kriegsbrecher „zertrümmert das politische Fundament der chinesisch-japanischen Beziehungen“, kritisierte die chinesische Regierung. Südkoreas Außenminister Ban Ki Moon verurteilte Koizumis Vorgehen als „absolute Respektlosigkeit gegenüber der koreanischen Regierung und dem koreanischen Volk.“

Vor der japanischen Botschaft in Seoul protestierten Agenturangaben zufolge 2000 Menschen gegen den Besuch. Einige Demonstranten zerstörten dabei Bilder von Koizumi. In Peking versammelten sich einige Dutzend Demonstranten vor der japanischen Vertretung. Koizumi wies die Proteste als „unreif“ zurück.

China und Südkorea litten im Zweiten Weltkrieg unter dem japanischen Faschismus. Allein beim Nanjing-Massaker ermordeteten japanische Soldaten zwischen 100 000 und 300 000 Zivilisten. Zehntausende Frauen aus Südkorea, China und anderen asiatischen Ländern wurden vergewaltigt und mussten als sogenannte „Trostfrauen“ japanische Soldaten in staatlichen Bordellen unterhalten. Chinesische Gefangene wurden von Militärärzten für Menschenversuche missbraucht und getötet. Im Yasukuni- Schrein werden neben 2,5 Millionen Kriegstoten auch 14 hochrangige Generäle als „Märtyrer“ verehrt, die die Alliierten als Kriegsverbrecher verurteilten.

Koizumi, der seit seinem Amtsantritt jedes Jahr den Yasukuni-Schrein besuchte – jedoch noch nie an dem geschichtsträchtigen 15. August –, rechtfertigte seinen Auftritt bei einer Feierstunde mit Kaiser Akihito: „Ich gehe nicht, um den vergangenen Krieg zu rechtfertigen oder den Militarismus zu glorifizieren“, erklärte er. „Ich gehe mit dem Gefühl, dass wir nicht wieder einen Krieg führen sollten und dass wir nicht das Opfer derer vergessen dürfen, die im Krieg gestorben sind.“ Er entschuldigte sich auch für den „großen Schaden und das Leid“, das Japan den asiatischen Nachbarn zugefügt habe.

Der Besuch belastet die ohnehin angespannten Beziehungen Japans zu seinen Nachbarländern weiter. In China war es im vergangenen Jahr mit Billigung der Pekinger Regierung zu Massenprotesten und zum Teil gewaltsamen Übergriffen gegen japanische Firmen und Einrichtungen gekommen. Die Regierung lehnte es auch ab, Koizumi in China zu empfangen.

Die Besuche von Koizumi sind auch innerhalb Japans umstritten: Kritiker werfen dem Regierungschef vor, die nationalistischen Kräfte in Japan zu besänftigen. Koizumis wahrscheinlicher Nachfolger, Kabinettssekretär Shinzo Abe, hat bisher nicht erklärt, ob auch er künftig den Schrein besuchen will – er rief Seoul und Peking am Dienstag zu einem Dialog und zur Verbesserung der Beziehungen auf.

Harald Maass[Peking]

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