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Politik: Ende eines Kaffeekränzchens

Italiens UN-Botschafter wirft den G4 vor, bei der Sicherheitsratsreform Entwicklungsländer zu erpressen

Berlin - Dass die Reformdebatte über den UN-Sicherheitsrat in die heiße Phase getreten ist, ist daran zu erkennen, dass einige Akteure zum diplomatischen Nahkampf übergegangen sind. Vor allem Italiens Botschafter Marcello Spatafora fuhr bei der Debatte über den Resolutionsentwurf der Gruppe „Vereint für den Konsens“ am Dienstag in der Generalversammlung schweres Geschütz auf.

Spatafora wetterte gegen den Plan der G4 – Deutschland, Japan, Brasilien und Indien –, den Sicherheitsrat um sechs neue ständige Mitglieder zu erweitern, um dann heftige Vorwürfe zu erheben: Um Unterstützung für ihre Resolution zu erzwingen, hätten die G4 Drittweltstaaten mit dem Entzug von Entwicklungshilfe gedroht. In einem konkreten Fall habe ein G-4-Land mit dem Stopp eines Entwicklungsprojektes im Wert von 460000 Dollar gedroht, das vor allem Kindern nutzen soll. Er forderte den Präsidenten der Generalversammlung auf, das „unethische Verhalten zu beenden“, unter dem eine Reform nicht akzeptiert werden könne.

Bei den G4 wollte man sich am Mittwoch deshalb auf keine Debatte einlassen. Japans UN-Botschafter Kenzo Oshima nannte die Vorwürfe „Stoff für die Boulevard-Presse“. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin bezeichnete sie als „haltlos“. Das Außenministerium in Rom – dem Joschka Fischer kürzlich einen harmonischen Besuch abgestattet hatte – bekräftigte dagegen die Vorwürfe. Nähere Angaben zu Land und Projekt wollte der Sprecher aber nicht machen, um „keinen Streit“ hervorzurufen. UN-Kreise nannten Spataforas Rede „äußerst ungewöhnlich“ und werteten sie tendenziell als Zeichen „mangelnder Souveränität“. „Wer sich seiner Sache sicher ist, spricht nicht so“, hieß es.

Tatsächlich hat in den vergangenen Tagen die Gruppe „Vereint für den Konsens“, auch Coffee-Club genannt, immer auf Annäherungen zwischen Afrikanischer Union (AU) und G4 bei deren Reformplänen zum Sicherheitsrat reagiert. Am Montag hatten sich die G-4-Außenminister mit AU-Kollegen auf das Ziel einer gemeinsamen Resolution geeinigt. Diese sähe eine Erweiterung des Gremiums um sechs ständige Mitglieder ohne Vetorecht und fünf nichtständige Mitglieder vor, und soll voraussichtlich am 4. August von der AU bei einem Treffen diskutiert werden. Am Dienstag dann debattierte die Gruppe „Vereint für den Konsens“, die unter anderen aus Italien, Mexiko, Südkorea, Pakistan und der Türkei besteht, ihren Entwurf in der Generalversammlung. Die Gruppe fordert nur zehn neue nichtständige Sitze mit dem Argument, im Rat soll keine „Dreiklassengesellschaft“ entstehen. Praktisch geht es aber darum, dass diesen Ländern selbst keine Chance auf einen ständigen Sitz eingeräumt wird.

Nun ist es kein Geheimnis, dass Entscheidungen in den UN oft mit Versprechen über zusätzliche Gelder verbunden werden. Vor dem Irakkrieg boten die Amerikaner Entwicklungsländern hohe Summen, würden sie eine Resolution im US-Sinne unterstützen. Auch die G4 dürften im Laufe der Reformdebatte Staaten, denen sie Entwicklungshilfe geben, an diese Zusammenarbeit erinnert haben. Drohungen, Hilfe zu entziehen, wirken dabei aber kontraproduktiv. Die Italiener selbst wiederum sollen bei Gesprächen über die UN-Reform mit Albanien und Rumänien deren EU-Perspektive deutlich angesprochen haben.

Vielleicht sind die Mitglieder von „Vereint für den Konsens“ auch unentschieden über ihr Vorgehen. So kritisierte Mexikos Botschafter ebenfalls, G-4-Staaten hätten Entwicklungshilfe als Druckmittel eingesetzt. Später soll er sich beim deutschen UN-Botschafter Gunter Pleuger dafür entschuldigt haben.

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