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Politik: Endlich oben. Dankeschön.

Weihnachtsabend. Zeit, innezuhalten, einen Blick auf den Lauf der Welt zu richten.

Weihnachtsabend. Zeit, innezuhalten, einen Blick auf den Lauf der Welt zu richten. Niemand könnte das im Prinzip besser als Thomas Reiter, der grad aus dem All zu uns zurückfliegt. Aber wir sollten nicht zu viel erwarten. Denn droben sei es zwar wunderbar, sagt Ulf Merbold, ebenfalls raumerfahren, aber dieses Erleben könne man mit Sprache gar nicht so richtig formulieren: „Vielleicht müsste mal ein begnadeter Dichter bei einem solchen Flug mitmachen.“

Eine gute Idee. Keiner der ganz Großen aus dem Welterklärungsgewerbe hatte bis jetzt Gelegenheit, diese seine Welt am Stück zu sehen. Ob es gelingen wird, einen der an sich unersetzlichen Nobelpreisträger aus den irdischen Diskursgewittern zu reißen und ins All zu schicken? „Seit jüngster Zeit auf dem Mond leben wir zugleich hinter dem Mond.“ Danke, Herr Grass, aber das ist schon sehr alt, nicht wahr?

Ja, Frau Jelinek? „Da wird etwas heiß von der Sonne, der ich ursprünglich in ihrem Studio mein Gesicht hingehalten habe, aber was besonders viel abbekommen hat, das ist vor allem mein Flugaggregat. Das ist gleich hin. Nichts. Das Nichts im Nichts. Und wir mittendrinnen. Ich glaub, ich bin irgendwie zu hoch. So. Jetzt sind wir endlich oben. Dankeschön.“

Hm. Ob Merbold sich das so vorgestellt hat? Sind Großdichter überhaupt die richtige Wahl dort droben? „Ich fühlte mich wie ein Pionier, der losreitet, um den wilden Westen Amerikas zu erschließen. Ich griff nach Nagelhautentferner und Slipeinlagen und schloss entschlossen meinen Koffer. Sieben Tage Umlaufbahn um unsere großartige Mutter Erde lagen vor mir …“ Geht’s noch? Was hat denn das mit dem Thema zu tun? Ach so. Dass Ildiko von Kürthy an dieser Titanenaufgabe scheitern würde, war abzusehen, zumal es in der Schwerelosigkeit kaum möglich ist, seitenlang über Gewichtsprobleme zu schreiben.

Aber was ist das hier? „Ich arme Seele finde immer noch keine Worte für meine Gefühle im All. Inzwischen hasse ich alle Astronauten. Ich bin ein Weltraumverlierer, ich habe falsch geschrieben, falsch gefühlt. Ich entschuldige mich.“ Aha: Auch Franz-Josef Wagner hat das Erlebnis literarisch nicht bewältigt. Und wenn das so ist, wird man wohl sagen müssen, dass Merbolds Idee vergebens war.

Es ist Weihnachten, und wieder einmal ist es uns nicht gelungen, die Erde in ihrer ganzen Großartigkeit zu beschreiben. Na, vielleicht nächstes Jahr.

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