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Politik: Endstation Bagdad

Der in München festgenommene Islamist hat potenzielle Attentäter in den Irak geschleust – der Tipp kam aus Italien

Von Frank Jansen

Die Spur führt nach Italien. Deutschlands Sicherheitsbehörden bekamen offenbar einen Tipp ihrer italienischen Kollegen, die seit einiger Zeit die Aktivitäten des Irakers Mohammed L. beobachtet hatten. Die erschienen äußerst verdächtig: Von München und Norditalien aus organisierte der 29-Jährige Reisen in den Irak. Und zwar für islamistische Amerikahasser, die sich in den Kampf der Aufständischen gegen die US-Truppen und deren Verbündete stürzen wollen.

Wie viele potenzielle Selbstmordattentäter L. geschleust hat, ist unklar. Sicherheitsexperten sprechen von bis zu einem Dutzend. Doch jetzt ist zumindest L. ausgeschaltet: Beamte des bayerischen Landeskriminalamts nahmen den Iraker am Dienstag auf dem Münchner Hauptbahnhof fest. Es wurde befürchtet, L. könnte sich ins Ausland absetzen, womöglich nach Italien. Der Fang ist für die Sicherheitsbehörden von größerer Bedeutung: L. wird der mit Al Qaida verbündeten Terrorgruppe Ansar al Islam (Partisanen des Islam) zugerechnet, die im Irak schwere Anschläge verübt haben soll.

Die Festnahme hat bei den Sicherheitsbehörden allerdings nicht nur Glücksgefühle ausgelöst. Das Landeskriminalamt sah sich wegen eines Artikels in der Münchner Ausgabe der „Bild“-Zeitung gezwungen, den observierten L. aus dem Verkehr zu ziehen. Das Boulevardblatt hatte am Dienstag über eine Ansar-Zelle in München berichtet. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ soll daraufhin ein Islamist untergetaucht sein. Sicherheitsexperten äußerten sich gegenüber dem Tagesspiegel empört. Sie verwiesen auf die komplexen Ermittlungen, die nicht nur gegen L. im Gange sind, sondern gegen mehrere Iraker, die Ansar al Islam zugerechnet werden. Inzwischen prüft Generalbundesanwalt Kay Nehm, ob er das Verfahren an sich zieht.

Ansar al Islam entstand im Sommer 2001 im nordirakischen Kurdengebiet, über das Saddam Hussein die Kontrolle verloren hatte. Die Terrorgruppe erkämpfte sich an der Grenze zum Iran einen kleinen Gottesstaat. Hier fanden Al-Qaida-Kämpfer Unterschlupf, die vor der US-Invasion in Afghanistan geflohen waren. In dem Refugium wurde außerdem mit Giftstoffen experimentiert. Gleich zu Beginn des Irak-Krieges vertrieben US-Spezialkräfte und verbündete kurdische Milizen die Islamisten nach Iran. Von dort sickerten sie wieder in den Irak ein, vor allem in das so genannte sunnitische Dreieck um Bagdad. Mehrere Anschläge, unter anderem das Attentat auf die jordanische Botschaft im August, werden Ansar al Islam zugeschrieben.

In Deutschland vermutet Bayerns Verfassungsschutz etwa 100 Anhänger der Terrorgruppe. Möglicherweise zählt auch der kürzlich in Hamburg festgenommene Algerier Abderrazak M. (30) dazu. Er wollte im Frühjahr mit einer kleinen Gruppe in den Irak reisen, doch die syrischen Behörden hielten die Islamisten auf und ließen sie nach Hamburg zurückkehren. Auch im Fall M. gibt es eine italienische Spur. Der Islamist soll in Italien als Schleuser und Passfälscher agiert haben und hat möglicherweise mit Mohammed L., auch in Deutschland, kooperiert. Die beiden Männer könnten dasselbe Ziel verfolgt haben, sagen Sicherheitsexperten: Selbstmordattentäter anzuwerben, für den Kampf im Irak.

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