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Politik: Er versucht den Kompromiss

Chirac will das umstrittene Gesetz zur Arbeitsmarktreform in Kraft setzen – mit Einschränkungen

Im Konflikt um die Teilreform des Arbeitsmarktes in Frankreich zeichnet sich keine Entspannung ab. In einer Fernsehansprache gab Staatspräsident Jacques Chirac am Freitagabend seine Entscheidung bekannt, das umstrittene Gesetz über den verminderten Kündigungsschutz für jugendliche Berufsanfänger in Kraft zu setzen. Dies gebiete der Respekt vor dem beschlossenen Gesetz, sagte Chirac. Zugleich forderte er die Regierung auf, „unverzüglich“ ein neues Gesetz vorzubereiten, das die von Gewerkschaften und Studentenverbänden am meisten kritisierten Kernpunkte des „Contrat première embauche“ (CEP), des Erstanstellungsvertrags für Jugendliche unter 26 Jahren, abändert. Die Probezeit soll von zwei auf ein Jahr verkürzt werden, und im Fall von Kündigungen während dieser Zeit soll das Recht auf eine Begründung in dem neuen Text verankert werden.

In ersten Stellungnahmen wiesen Sprecher der linken Opposition, die Führer der Gewerkschaften sowie Vertreter der Studentenverbände dieses Entgegenkommen als „unverständlich“ zurück. Man habe eine Klärung der Situation durch eine Rücknahme des CPE erwartet, sagte der Erste Sekretär der Sozialisten, Francois Hollande. Stattdessen könne der CPE jetzt ab sofort angewendet werden, ohne dass klar sei, wann und wie die angekündigten Abänderungen zustande kämen. Wenn das Gesetz nicht gut sei, dann hätte Chirac es doch gar nicht erst in Kraft setzen, sondern ganz streichen sollen, sagte Bruno Julliard, der Sprecher des Studentenverbandes Unef. In Paris und in mehreren Städten der Provinz versammelten sich Tausende Jugendliche am Abend zu Protestversammlungen. Gewerkschaften und Studentenverbände bekräftigten noch am Abend ihren Aufruf zu einem neuen „nationalen Aktionstag“ am kommenden Dienstag. Mit seinem Beharren, den CPE in Kraft zu setzen, trage Chirac dazu bei, dass dann noch mehr Franzosen auf die Straße gehen würden als am vergangenen Dienstag, sagte der Generalsekretär der Gewerkschaft CGT, Bernard Thibault.

Chiracs Erklärung stellt den Versuch eines Kompromisses zwischen der unnachgiebigen Haltung von Premierminister Dominique de Villepin und den seit Wochen gegen das Gesetz Sturm laufenden Gewerkschaften und Studenten dar. Mit seiner Drohung, zurückzutreten, hatte Villepin zwar durchgesetzt, dass der CPE nach der Zustimmung durch den Verfassungsrat sofort in Kraft gesetzt wird. Doch er musste dem um eine Entschärfung der seit Wochen andauernden Krise besorgten Chirac zugestehen, dass der CPE in seinen Kernpunkten durch ein neues Gesetz ausgehöhlt wird, was er bisher kategorisch abgelehnt hatte.

Ob die Gegner des CPE nach ihren ersten Reaktionen weiter an ihrer Ablehnung festhalten, bleibt abzuwarten. Die Führer der linken Opposition hatten gestern noch einmal eine völlige Rücknahme des CPE zur Bedingung für die Teilnahme an neuen Gesprächen mit der Regierung über die Lage der Jugend gemacht.

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