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Erinnerung: Der KGB-Giftmord von München

Im Osten ein Bandit, im Westen ein Held: Stepan Bandera ist in der Ukraine eine der umstrittensten Figuren in der Geschichte des Landes. Mit großem Pomp erinnert das Land nun an den Nationalisten, der vor 50 Jahren starb.

Stepan Bandera habe für die Freiheit seiner Heimat gekämpft, sagen die einen. Für die anderen ist er ein rücksichtsloser Nationalist und Nazi-Kollaborateur.

Geboren wurde Stepan Bandera vor genau 100 Jahren in Galizien, jener sagenumwobenen ehemaligen k.u.k.-Provinz, in der schon immer mehr Ukrainer als Polen, Deutsche und früher Juden lebten. Heute lebt der Kult um den lange Totgeschwiegenen anlässlich dieses Jubiläums wieder auf. In Iwano-Frankiwsk (Stanislau) im Karpatenvorland soll zu seinen Ehren sogar ein monumentales Denkmal entstehen, in dem der umstrittene Politiker seine letzte Ruhestätte finden soll. Unterstützt wird dieses Vorhaben vom ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko. Der sieht Stepan Bandera als Symbol des Kampfes für eine unabhängige Ukraine, räumt aber ein, dass es einige dunkle Kapitel in dessen Leben gegeben habe.

Zu den umstrittensten Abschnitten zählt seine Zusammenarbeit mit Nazi-Deutschland vor und während des Zweiten Weltkrieges. Als Anführer der Organisation Ukrainischer Nationalisten ließ er seine Männer von den Deutschen zum Kampf gegen die Sowjetunion ausbilden. Als im Juni 1941 die Wehrmacht in Ostgalizien einmarschierte, kam es in Lemberg zu einem Massaker, an dem ukrainische Verbände maßgeblich beteiligt waren. 7000 Kommunisten und Juden wurden damals ermordet.

Doch für Bandera waren die Faschisten lediglich Mittel zum Zweck, denn unmittelbar nach dem Einmarsch rief er die Unabhängige Ukraine aus. Damit hatten die Nazis nicht gerechnet, also verhafteten sie ihn und steckten ihn ins KZ Sachsenhausen. Ende 1944 wurde Bandera in den Wirren der letzten Kriegsmonate entlassen. Er blieb in Deutschland, war aber ständig auf der Flucht vor den Häschern des sowjetischen Geheimdienstes KGB, die eine unabhängige Ukraine fürchteten. Am 15. Oktober 1959 wurde Bandera entdeckt und von einem Agenten mit Blausäure vergiftet. Wenige Tage später wurde sein Leichnam auf dem Waldfriedhof in München beigesetzt.

Über Jahrzehnte während der kommunistischen Herrschaft durfte sein Name in der Ukraine nicht einmal erwähnt werden. Erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erinnerte man sich auf der Suche nach eigenen, ukrainischen Identifikationsfiguren wieder an Stepan Bandera. Sein bedingungsloses Motto „Freiheit oder Tod“ fand vor allem bei den jungen Nationalisten Gehör. Auch Präsident Juschtschenko unterstützt diese neue Geschichtsschreibung, sehr zum Ärger Moskaus. „Die Ukraine hat immer unabhängig sein wollen. Im Kontext unserer ukrainischen Geschichte muss die Erinnerung an die Personen bewahrt werden, die auf die Unabhängigkeit hinarbeiteten“, rechtfertigt dies der Staatschef. Dass die dunklen Kapitel im Leben des Stepan Bandera weitgehend ausgeblendet werden, nimmt Juschtschenko im Dienste der höheren Sache billigend in Kauf. 

Knut Krohn

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