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Frieren für Deutschland: Habeck, Scholz und Lindner vor Wilhelmshaven auf der MS Helgoland.

© AFP / Michael Sohn

Eröffnung des Flüssiggasterminals: Scholz lobt „neue Deutschland-Geschwindigkeit“

194 Tage nach der offiziellen Beauftragung ist vor Wilhelmshaven das erste Flüssiggasterminal Deutschlands eingeweiht worden. Der Kanzler spricht von einer „Teamleistung“.

Ein eiskalter Wind weht an diesem Sonnabend nicht nur vor der Küste. An Deck der MS Helgoland muss niemandem erklärt werden, wie wichtig es ist, die als Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine bedrohte Energieversorgungssicherheit wiederherzustellen.

An Bord frieren auch die Spitzen der Ampel. „Wir tauen langsam wieder auf“, wird Olaf Scholz später sagen, kurz bevor er unter Deck eine Rede zur Eröffnung des ersten deutschen Flüssiggasterminals hält. Der sozialdemokratische Kanzler hat seinen grünen Vize Robert Habeck und den liberalen Finanzminister Christian Lindner im Schlepptau. Über den warmen Klamotten tragen sie neongelbe Arbeitsschutz-Anoraks, die auch signalisieren, dass hier angepackt wird.

„Das ist die neue Deutschland-Geschwindigkeit“, sagt Scholz bei der symbolischen Inbetriebnahme per Funkspruch, die 194 Tage nach der offiziellen Beauftragung erfolgt. Als der Kanzler in seiner Zeitenwende-Rede drei Tage nach Kriegsbeginn in Kiew den Bau mehrerer LNG-Anlandestationen an der Küste ankündigte, war er vor Ort noch auf Ungläubigkeit gestoßen. „Hat er wirklich Wilhelmshaven gesagt?“ – die friesische Parteifreundin, Verteidigungsstaatssekretärin Siemtje Möller, erinnert sich noch gut an die Skepsis damals.

Jetzt im Advent schwindet sie – getreu dem Kirchenliedklassiker „Es kommt ein Schiff geladen“. Der Nebel über dem Wasser lichtet sich nun ein wenig, die Umrisse der Sonne werden sichtbar. Im Hintergrund steht der Tanker „Esperanza“.

Das Medieninteresse war enorm bei der Eröffnung des LNG-Terminals.

© dpa / Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Diese „Hoffnung“ ist für die Kommunikationsstrategen der Regierung eine Freude – nicht nur weil hier das erste Flüssiggas ankommt und wieder in den Urzustand zurückverwandelt ins deutsche Netz eingespeist wird. Da ist auch die Hoffnung, dass die Verbraucher, also die Wähler, wieder Vertrauen fassen.

Zwar kommen hier künftig nur gut fünf Prozent des jährlichen deutschen Gasbedarfs an, aber ein Anfang ist gemacht. Bald folgen weitere Terminals - weshalb schon von Überkapazitäten die Rede ist. Scholz rechtfertigt sie mit „europäischer Solidarität“, weil man Nachbarländer ohne Küste versorgen werde können. Und man könne sagen: „Deutschland hat seine Energiesicherheit gewährleistet, weil alle gezeigt haben, wozu wir in der Lage sind.“

Dieses „Wir“ bezieht sich auch auf seine Regierung, um die es ja zeitweise nicht so gut bestellt zu sein schien. Dementsprechend wurde schon vor vielen Wochen, als sich die rechtzeitige Fertigstellung kurz vor Ende des politisch so harten Jahres abzeichnete, der gemeinsame Auftritt eingefädelt.

Lindner nennt die Energiepolitik einen „Wendepunkt“

Der Kanzler spricht von einer „Teamleistung“, als er im blauen Seemannspullover die an Bord versammelte Energiewirtschaft und indirekt die Bevölkerung adressiert. Seht her, Eure Ampelregierung funktioniert„ soll das wohl heißen, als er die 40 Gesetze seiner Koalition allein im Energiebereich erwähnt. „Wir haben hier als ganze Regierung an einem Strang gezogen“, sagt Scholz: „Das ist auch Euer Verdienst, lieber Robert Habeck und lieber Christian Lindner.“ So viel demonstrative Ampelharmonie war lange nicht mehr.

„Das ist ein Wendepunkt“, sagt der FDP-Chef und meint damit ebenfalls nicht allein die Energiepolitik. Nicht nur er hofft, dass die Koalition wieder agieren kann statt nur zu reagieren. „Alle wollen“, sagt sein Fraktionschef Christian Dürr mit Blick auf die anstehenden Projekte.

Kaltes Nordsee-Wasser in den Wein schüttet nur die Opposition. „Trotz der Bemühungen im Bereich Flüssiggas steigt durch den Verzicht auf die Kernenergie ab dem kommenden Frühjahr und die Nichtausschöpfung sämtlicher Optionen die Gefahr eines Blackouts“, sagt der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU). Das sorge für „im internationalen Vergleich horrende Energiepreise“. An diesem „guten Tag“ aber perlt diese Kritik an Scholz ab.

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