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Politik: Erschütterte Grenze

Nach dem Erdbeben will Pakistans Präsident die Waffenstillstandslinie zum indischen Teil Kaschmirs öffnen

Berlin - Pakistans Präsident Pervez Musharraf hat angekündigt, die faktische Grenze an der Waffenstillstandslinie zum indischen Teil Kaschmirs zu öffnen, damit Kaschmiris ihren Verwandten zu Hilfe kommen und beim Wiederaufbau nach dem Erdbeben vor zwölf Tagen helfen können. Mit dieser Nachricht haben einige pakistanische Zeitungen am Mittwoch sogar aufgemacht, der indische „Hindu“ schreibt von einer „dramatischen Ankündigung“. Und obwohl die Regierung in Delhi noch wissen will, wie Musharraf sich das praktisch vorstellt, hat sie seine Aussagen bereits begrüßt.

In der Tat standen noch vor gut drei Jahren die beiden Atommächte kurz vor einem weiteren Krieg um die Gebirgsprovinz, die zu zwei Dritteln als Bundesstaat Jammu und Kaschmir zu Indien und zu einem Drittel als Asad-Kaschmir zu Pakistan gehört. Seit einiger Zeit haben sich beide Staaten aber in dem seit fast 60 Jahren schwelenden Konflikt angenähert, letzte Höhepunkte waren im April der Besuch Musharrafs in Indien sowie die Eröffnung einer Buslinie zwischen den beiden Teilen Kaschmirs. Seit das Erdbeben die Krisenregion erschüttert hat, bei dem nach neuesten Angaben aus Pakistan möglicherweise bis zu 80000 Menschen starben, wird auch die Hoffnung laut, dass das gemeinsame Leid hilft, den Konflikt zu beruhigen.

Nun steht das Angebot Pakistans, zuvor hatte Indien angekündigt, die vor 15 Jahren gekappte Telefonverbindung nach Asad-Kaschmir wieder aufzunehmen. Doch zu wirklichem Vertrauen ist es noch weit. So lehnt Islamabad offenbar nach wie vor ein indisches Angebot ab, Hubschrauber ins Krisengebiet zu schicken. Und das, obwohl Helikopter dringend gebraucht werden, da viele noch verschüttete Dörfer und Täler auf anderem Weg nicht erreicht werden können. Doch Pakistan würde die Offerte nur akzeptieren, wenn eigene Piloten die Maschinen fliegen könnten – was wiederum die indische Seite schwerlich akzeptieren kann. Vom militärischen Standpunkt her sei Musharrafs Verhalten nachvollziehbar, sagt Boris Wilke von der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin, nur ob es politisch klug ist, sei die Frage. Denn in Asad-Kaschmir werden immer wieder Vorwürfe laut, Regierung und Militär würden Erdbebenopfern zu spät oder zu wenig helfen. Im Gegenzug könnte das die Islamisten weiter stärken, die in Kaschmir sowieso eine breite Basis haben. Nach einem Bericht der „International Herald Tribune“ aus Muzaffarabad profilieren sich derzeit besonders Mitglieder radikaler Organisationen als ausdauernde Helfer.

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