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Politik: Es gibt kein Zurück

Militante Rückzugsgegner in Israel provozieren mit Nazi-Vergleichen / Großteil der Siedler findet sich ab

Die Siedlerbewegung ist gespalten. Während militante Gegner des geplanten israelischen Rückzuges aus dem Gazastreifen mit immer neuen Provokationen drohen,finden sich mehr und mehr Siedler mit der Räumung ab.

Die offizielle Siedlerführung hat für Dienstag einen neuen Protestmarsch angekündigt: gegen die Mitte August anlaufende Räumung aller 21 Siedlungen im Gazastreifen und vier weiterer im nördlichen Westjordanland – und zur Stärkung der Moral der betroffenen Siedler. Da die Demonstranten beim ersten Marsch in der vergangenen Woche von der Polizei ausgetrickst wurden, wollen sie diesmal eine neue Taktik anwenden. Zehntausende sollen von drei Kleinstädten am Negevwüstenrand aus auf drei Wegen in Richtung dreier Übergänge zum Gazastreifen marschieren und so bis zum Gush-Katif-Siedlungsblock vordringen.

Ausdrücklich will die Siedlerführung keine Demonstrationserlaubnis bei der Polizei einholen, sondern deren Truppen mit ihrer neuen Taktik aufsplittern und ermüden. Dagegen kündigten der Oberkommandierende der nationalen Polizei, Moshe Karadi, der Minister für interne Sicherheit, Gideon Ezra, und Verteidigungsminister Schaul Mofas übereinstimmend an: „Die Protestierer werden nicht in den Gush Katif eindringen.“

Mofas erläuterte erstmals seine Prognosen und Pläne für die Siedlungsräumungen und den Truppenrückzug. Er hofft, dass die Siedlungsräumungen viel weniger Zeit als ursprünglich angenommen beanspruchen werden, nämlich nur zwei, maximal drei Wochen. Seiner Meinung nach erfolgt der große Exodus der Siedler in der zweiten August-Woche, gefolgt von einer zweiten Welle nach dem 15. August, wenn den Siedlern eine letzte zweitägige Frist zum Verlassen ihrer Häuser eingeräumt wird. Insgesamt würde wohl die Hälfte aller Siedler „freiwillig“ ausziehen, während man sich mit den meisten anderen auf einen Gewaltverzicht einigen könnte, sagte Mofas.

Der weitere Zeitplan sieht nach der Räumung rund eine Woche vor, in der die Armee Siedlerhäuser im Gazastreifen zerstört, während die Polizeitruppen sich im Westjordanland der vier zur Räumung bestimmten Siedlungen annehmen. Die Armee verbleibt im Gazastreifen noch mehrere Wochen, vielleicht sogar Monate, bis sie ihre Basen und Stellungen geräumt hat. Erst gegen Jahresende wird auch der letzte israelische Soldat den Gazastreifen verlassen haben.

Militante Siedler aus der nichtreligiösen Siedlung Elai Sinai am nördlichsten Rand des Gazastreifens drohen unterdessen mit einer neuen Provokation. Sie planen, den mit der Räumung ihrer Häuser beauftragten Truppen in KZ-Häftlingskleidung entgegenzutreten. Auf die Häftlingsuniformen, welche exakt denjenigen von Auschwitz entsprechen, wollen sie auch Judensterne aufnähen.

Bereits früher hatten kleine Gruppierungen mit angehefteten orangefarbenen Davidssternen, der Farbe der Rückzugsgegner, und mit der auf dem Unterarm aufgemalten Identitätsnummer (ähnlich der eingebrannten KZ-Häftlings-Nummern) erhebliches Aufsehen und Entrüstung erregt. Diesmal erklärte Yitzchak Gabai, einer der Initianten der KZ-Kleidung, er werde eine solche tragen, „weil kein Unterschied besteht zwischen der Behandlung der Einwohner von Elai Sinai durch die israelische Regierung und der Art, wie Juden durch das Nazi-Regime in den vierziger Jahren behandelt wurden.“

Erwartungsgemäß löste auch diese Provokation einen Proteststurm aus, dem sich der Chef der Siedlung Elai Sinai anschloss. Yaniv Ben-Haggai versicherte, die Mehrheit der Einwohner sei gegen diese Provokation.

Der Knesset-Abgeordnete der Nationalen Union und frühere Regionalrats-Vorsitzende der Gazastreifen-Siedlungen, Zwi Haendel, hatte es dagegen schon letzte Woche abgelehnt, Vergleiche der Räumung mit dem Holocaust zu verurteilen. Er selbst verglich vielmehr das Vorgehen der Polizei gegen die Teilnehmer des ersten Protestmarsches mit demjenigen der Nazis. Die Polizisten könnten sich nicht auf ihre Pflicht berufen, Befehle einzuhalten: „Vielleicht haben wir Eichmann grundlos getötet, weil er auch einfach Befehle ausgeführt hat.“

Oppositionsführer Josef Lapid, ehemaliger Starjournalist, Ex-Justizminister und einziger Holocaustüberlebender unter den Abgeordneten, beließ es nicht bei vernichtender Kritik an dem Vorhaben, sondern attackierte die israelischen Medien. Sie böten den „wahnsinnigen“ Extremisten eine unverdiente Öffentlichkeit, also genau das, was sie anstrebten.

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