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Politik: „Es gibt keine Auszeit beim Klima“

Der amerikanische Wissenschaftler Dennis Meadows erforscht seit 30 Jahren die Grenzen des Wachstums – sie sind seit 14 Jahren überschritten

Vor 30 Jahren haben sie die „Grenzen des Wachstums“ beschrieben. 1992 waren diese Grenzen Ihrer Meinung nach bereits überschritten. Wie lebt es sich damit?

Man kann sich natürlich nicht ununterbrochen mit globalen Problemen beschäftigen. Sonst wird man verrückt oder brennt aus. Aber selbst an meinen pessimistischsten Tagen glaube ich nicht, dass die Menschheit von der Erde verschwindet. Natürlich bin ich angefeindet worden. Das hält man durch, wenn man noch etwas tut, was die Menschen lieben. In meinem Fall sind das Spiele. Ich habe viele computergestützte Strategiespiele entwickelt, die zum Teil von Entwicklungsagenturen genutzt werden oder der Weltbank, um ihr Personal zu schulen.

Mit dem Klimawandel bekommen wir die Grenzen des Wachstums zu spüren.

Das Klima hat sich immer verändert. Aber diesmal ändert es sich sehr schnell, und unsere Lebensweise ist der Grund für diesen globalen Klimawandel. Die Veränderungen werden sehr teuer, denn unsere Lebensweise ist optimal an unser heutiges Klima angepasst. Wir werden Kraftwerke haben, die an Flüssen liegen und stillstehen, weil kein Kühlwasser zur Verfügung steht. Wir wissen – und der Report des britischen Regierungsberaters Nicholas Stern hat das bewiesen –, dass wir den Klimawandel nicht mehr verhindern können. Selbst wenn wir von sofort an keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre abgäben, würde die Erwärmung trotzdem für 100 oder mehr Jahre weitergehen.

Was sollen wir also tun?

Was wir auf der globalen Ebene tun müssen, hat der Stern-Report gezeigt. Eine wunderbare Arbeit, wirklich exzellent, wie Stern die Physik, die wirtschaftlichen und die politischen Folgen verbindet. Was wir praktisch tun können, ist ganz einfach: Wir müssen unser Energiesystem verändern. 65 Prozent der Treibhausgase werden durch das Energiesystem produziert. Und die restlichen 35 Prozent hängen indirekt mit dem Energieverbrauch zusammen. Was heißt das? Es gibt mehrere Wege, Energie zu sparen. Der schnellste: Wir senken unseren Lebensstandard. Das wird passieren, wenn wir nichts anderes unternehmen.

Nur, weil wir nicht anders können, oder?

Ja, weil wir unseren Lebensstandard senken müssen. Wenn wir zu einer Tankstelle fahren, und es gibt dort kein Benzin, dann ist es ganz egal, was unsere Werte sind. Wenn es kein Benzin gibt, können wir nicht mehr fahren. Die zweite Variante ist, Energie zu sparen. Selbst in Deutschland, das Energie ziemlich effizient verwendet, gibt es noch enorme Einsparpotentiale. Ohne große Opfer. Der Lebensstandard bleibt hoch, und die Industrie kann mit Effizienztechnologien eine Menge Geld verdienen. Außerdem könnte Deutschland so seine Abhängigkeit von Russland als Gaslieferant vermindern. Deutschland wäre weniger erpressbar.

Was könnten wir noch tun?

Die dritte Variante ist die Entwicklung und Nutzung von klimafreundlichen Energiequellen. Brennstoffe, die wenig oder gar kein Kohlendioxid (CO2) erzeugen. Ist es nicht witzig, dass wir den Wind noch immer in etwa so nutzen, wie die Niederländer in der frühen Neuzeit? Das Prinzip ist dasselbe. Ich freue mich aber schon auf Technologien, die vollkommen anders sind – die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen, müssen wir den Wind anders nutzen. Wir brauchen Speichertechnologien für Windstrom, um ihn auch nutzen zu können, wenn kein Wind weht. Auch da bieten sich Deutschland große wirtschaftliche Möglichkeiten, denn solche Technologien wären weltweit gefragt. Die vierte Variante ist ein kultureller Wandel. Unsere Vorstellungen darüber, was ein gutes Leben ist, müssten sich ebenfalls ändern. Dann wäre es nicht mehr gut, viel Auto zu fahren, sondern es wäre besser, mehr Zeit für seine Freunde zu haben.

Lässt sich der Klimawandel so aufhalten?

Es wäre ein wirklich guter Start. Obwohl ich nach wie vor Zweifel daran habe, dass unsere gegenwärtigen Regierungssysteme mit einem Problem, das so weit in die Zukunft reicht, fertig werden können. Tatsächlich ist es aber so, dass wir nicht warten müssen – und in diesem Fall auch nicht warten können –, bis wir die eine geniale Lösung für das Problem gefunden haben. Wir wissen eine Menge Nützliches. Damit müssen wir anfangen. Der Klimawandel wartet nämlich nicht auf uns. Wir können nicht rufen: Auszeit! Es gibt keine Auszeit beim Klimawandel.

Was Klimaverhandlungen so schwierig macht, ist, dass sie vor dem Hintergrund von 200 Jahren Kolonialismus geführt werden. Ohne Kohlenstoffwirtschaft wären die Industriestaaten nicht zu solchen aufgestiegen, dann hätte es den Kolonialismus womöglich nie gegeben. Die Entwicklungsländer argumentieren zu Recht, dass sie nicht einsehen, zwei Mal für den Klimawandel zu bezahlen. Was ist Ihr Rat?

Die Entwicklungsländer wollen mit den Industriestaaten darüber sprechen, was fair ist. Ich verstehe ihren Standpunkt vollkommen. Aber das ist nicht mein Thema. Ich rede darüber, was möglich ist. Und es ist nicht möglich für die Entwicklungsländer, ihren Lebensstandard auf den der industrialisierten Länder zu heben. Das mag unfair sein oder unethisch. Das ist für mich aber nicht die Frage. Denn es ist nicht möglich. Es ist auch für die reichen Länder nicht möglich, ihren Lebensstil zu halten. Das Problem wird auf jeden Fall gelöst. Aber ich hoffe sehr, dass wir bewusst einen Weg wählen, unseren Ressourcen- und Energieverbrauch zu senken, und nicht warten, dass die globale Umwelt zusammenbricht.

Das Interview führte Dagmar Dehmer.

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