zum Hauptinhalt

Politik: Es ist nicht die Wirtschaft, Dummkopf!

Schröder und Stoiber liegen völlig falsch, meint Clintons Ex-Berater Dick Morris: Arbeitslosigkeit ist kein Wahlkampfthema

Von Robert von Rimscha

Alle machen alles falsch. Gerhard Schröder und Edmund Stoiber wollen beide neue Arbeitsplätze schaffen. Aber das sei ungefähr so, „als würde ein Politiker Regen versprechen“, oder wohl, aktueller: Sonnenschein. Mit Wirtschaftsthemen sei jedenfalls heutzutage kein Wahlkampf mehr zu gewinnen, da die Politik doch kaum noch Einfluss auf die globalisierte Ökonomie habe.

Nun ist es nicht besonders schwierig, derlei Grundsatzkritik zu üben. Doch der, von dem sie kommt, lässt aufhorchen. Dick Morris heißt der Mann, der dem Bundeskanzler und seinem Herausforderer eine völlig falsche Themensetzung vorwirft. Morris versteht etwas von Wahlkämpfen. 1978 begann er, Bill Clinton zu beraten, der 1992 mit dem Slogan „It´s the economy, stupid!“ ins Weiße Haus einzog.

Jetzt sagt Dick Morris: „It´s not the economy, stupid!“ Er begründet seine Kehrtwende mit dem Umstand, Politik und Wirtschaft entwickelten sich seit Jahren auseinander. Es zögen nur noch Themen wie Kriminalität und Einwanderung, Gesundheit und Rente, Bildung und Umwelt.

Der Blick quer durch Europa dient Morris als Beleg. „Als Chirac Kriminalität zum Wahlkampfthema machte, wurde er gewählt. Als Jospin über gerechtere Einkommen sprach, schaffte er es nicht einmal in die Endrunde“ der französischen Präsidentschaftswahlen vom Frühjahr. Die Linke verliere stets dann, wenn sie sich auf Wirtschaftsthemen konzentriere, und die Rechte habe in Europa stets Erfolg, wenn sie sensible Sozialthemen wie Gewalt und Ausländer in den Vordergrund rücke.

1996, als Clinton eine zweite Amtszeit wollte und den Erdrutschsieg der Republikaner unter Newt Gingrich bei den Kongresswahlen 1994 verdauen musste, schlug Morris’ Sternstunde. Er war es, der die als „Triangulation“ berühmt gewordene Umarmungs-Strategie entwarf. Clinton gab sich als besserer Republikaner, als Abschaffer der Sozialhilfe, Totengräber von „big government“, Stabilisierer des Haushalts – und siegte erneut. Da Morris auch Republikaner beriet, hielten ihn treue Demokraten stets für ein gegnerisches U-Boot; Clinton benutzte seine Ratschläge nur unter dem Codewort „Charlie“. Bei Clintons Erfolg im November 1996 war „Charlie“ bereits über einen Sexskandal gestolpert.

Morris schreibt heute Bücher und gibt teure Ratschläge. Und nun also, gratis, ein Tipp für Schröder und Stoiber. Sechs Wochen bleiben Zeit, auf Dick Morris zu hören. Oder auch nicht. Hillary Clintons Senats-Kandidatur hielt er für chancenlos. Sie gewann trotzdem.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false