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Politik: „Es muss vier Jahre halten“

Gesundheitsministerin Schmidt sieht gute Chancen für eine große Koalition – und Bewegung bei der Union

Frau Schmidt, seit der Gesundheitsreform haben Sie Übung, mit der Union Kompromisse zu schließen. Gehört zu Verhandlungen nicht auch, dass sich beide Seiten beweglich bei der Kanzlerfrage zeigen?

Über Personalfragen haben wir am Mittwoch nicht gesprochen. Eines ist in dem Gespräch aber klar geworden: Es gibt keinen größeren oder kleineren Partner, beide sind gleichberechtigt. CDU und CSU sind die stärkste Fraktionsgemeinschaft, die SPD ist die stärkste Partei. Eines habe ich in früheren Verhandlungen gelernt: Am Ende müssen beide Seiten erhobenen Hauptes herausgehen können.

In den letzten Tagen hatte man den Eindruck, die SPD könne sich auch eine Zukunft ohne Gerhard Schröder vorstellen.

Ohne Gerhard Schröder hätte die SPD nicht dieses gute Ergebnis bei der Wahl erzielt. Er ist ein guter Kanzler. Wir wollen ihn weiter in diesem Amt sehen.

Die SPD steht geschlossen hinter ihm?

Klar doch. Das war ja ein Phänomen dieses Wahlkampfes: Die SPD steht heute geschlossen hinter Gerhard Schröder und dem Kurs der Agenda 2010. Die SPD hat zu neuer Stärke gefunden.

Rechnen Sie damit, dass es in ein paar Wochen eine große Koalition geben wird?

Die Sondierung ist gut angelaufen, die Chancen stehen demnach gut. Eine Einigung ist nicht auszuschließen. Es gibt eine Menge an Reformprojekten, die wir auf den Weg bringen müssten. Das was dann gegebenenfalls am Ende verhandelt würde, das muss vier Jahre halten. Es geht also nicht um eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners.

Im Wahlkampf hat die SPD der Union soziale Kälte vorgeworfen. Wo müssen sich CDU und CSU bewegen, damit in den nächsten Wochen ein Koalitionsvertrag zu Stande kommen kann?

Die Bundestagswahl hat offen gelegt, dass es keine Mehrheit für einen neoliberalen Kurs gibt, den Angela Merkel mit einer schwarz-gelben Koalition verfolgen wollte. Das ist wohl auch der Union klar geworden. Die Wähler wollen Reformen mit Augenmaß und mit sozialer Gerechtigkeit. Ich verrate kein Geheimnis, dass das in der Sondierung mit der Union auch nicht umstritten war. Die CSU hat in Bayern deutlich gemerkt, dass eine Volkspartei nicht einen rein neoliberalen Kurs verfolgen kann. Wenn die Union den Weg einer Westerwelle-FDP verfolgt, wählen diejenigen, die das gut finden, lieber das Original und ein Großteil der Wähler bleibt zu Hause.

Wo sehen Sie in der Sozialpolitik Schnittmengen mit der Union?

In der Rentenpolitik sehe ich einen Grundkonsens: Wir wollen die gesetzliche Rente als Hauptsäule erhalten, die betriebliche und private Säule soll gestärkt werden. Wir sind uns einig, dass jetzt nicht der Zeitpunkt ist, das Renteneintrittsalter heraufzusetzen. Und wir wollen die Renten nicht kürzen.

Im Wahlkampf haben SPD und Union Differenzen in der Gesundheitspolitik betont. Ist ein Mittelweg zwischen Bürgerversicherung und Kopfpauschale denkbar?

Ich halte unser Konzept, die Bürgerversicherung, für überlegen. Zentral ist dabei ein Punkt: Wir müssen eine Versicherungspflicht für alle Bürger einführen. Die Menschen wechseln zwischen Freiberuflichkeit und Angestellten-Verhältnis, sie gehen mal ins Ausland oder sind vorübergehend arbeitslos. In unserem heutigen System mit starrer Trennung zwischen gesetzlichen Kassen und Privaten fallen zu viele durchs Raster, etwa weil sie sich keine Versicherung leisten können. Wir wollen, dass jede Versicherung jeden Patienten akzeptieren muss. Es darf keine Privilegien mehr geben. Das wären schon große Schritte nach vorne.

Muss es in dieser Legislaturperiode eine große Gesundheitsreform geben?

Eine große Koalition bietet die Chance, Kartelle im Gesundheitswesen aufzubrechen und für klare Zuständigkeiten zu sorgen. Mächtigen Lobbys fällt es schwerer, große Parteien gegeneinander auszuspielen. Da liegt eine Chance. Denn wir brauchen mehr Wettbewerb.

Stünden Sie in einer großen Koalition als Ministerin zur Verfügung?

Ich rede nicht über Posten und über die Verteilung von Ministerien. Das ist nicht mein Stil. Sie wissen aber auch, dass ich vor der Verantwortung nicht weglaufe.

Das Interview führte Cordula Eubel.

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