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Politik: "Es wird noch mehr als der aktuelle Skandal ans Licht kommen" - ein Interview mit dem Experten Alexander Rahr über die Korruption in Russland

Alexander Rahr ist Russlandexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Mit ihm sprach Armin Lehmann über den jüngsten Finanzskandal im Kreml.

Alexander Rahr ist Russlandexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Mit ihm sprach Armin Lehmann über den jüngsten Finanzskandal im Kreml.

Dass der Kreml korrupt ist, ist nicht neu. Aber bisher wurde Jelzin vom Westen immer gedeckt. Hat das nun ein Ende?

Ja, es hat ein Ende. Allerdings muss man die Vorgeschichte kennen. 1996 gewann Jelzin die Präsidentenwahl mit Hilfe der Finanz-Clans, seitdem sind diese ein politisches Element. Sie bestimmen die gesamte Wirtschaft, die Politik. Das sind wenige sehr reiche Unternehmer. Jelzin ist abhängig von ihnen. Allerdings sind diese Clans keine Einheit mehr, sie sind auseinandergebrochen, und sie bekämpfen sich mit allen Mitteln. Jeder versucht, seinen Kandidaten bei den kommenden Wahlen durchzubringen. Und dabei wird noch viel mehr ans Licht kommen als der aktuelle Finanzskandal.

Aber jetzt geht es erstmals auch um Jelzin.

Richtig. Es ist ein Tabu gebrochen worden von den Finanz-Clans. Die Jelzin-Gegner haben ihn persönlich angegriffen. Das gab es bisher nicht. Der Westen wiederum ist verärgert, dass Jelzin politisch nichts mehr bewegen kann. Die letzten Wochen waren Beweis genug. Es ging Jelzin nur darum, seine Lobbyisten in die Regierung zu bekommen. Jelzin ist nicht an Demokratisierung oder an der Marktwirtschaft interessiert. Das haben auch die Amerikaner kapiert.

Mit wem will der Westen in Zukunft reden?

Ich denke, es wird erstmals ernsthaft darüber nachgedacht, sich überhaupt mit anderen Kandidaten zu arrangieren. Beispielsweise mit Luschkow, dem Oberbürgermeister von Moskau. Vor allem die Deutschen und Franzosen setzen auf ihn.

Jelzin selbst hat immer wieder behauptet, ohne ihn würde die Anarchie im Land ausbrechen. Wird es so kommen?

Das ist ein Mythos, der von der Jelzin-Mannschaft gepflegt wurde. Das hatte einmal Berechtigung. Jetzt nicht mehr. Denn es gibt nicht mehr nur die Alternative Jelzin oder Kommunismus. Es gibt ein politisches Zentrum, das vielleicht nicht so westfreundlich ist, aber anziehend genug, um Russland auf Reformkurs zu halten. Dieses Zentrum wird von Luschkow und Primakow gebildet.

Ein weiteres Problem neben der Korruption ist wohl, dass keine zivile Gesellschaft existiert. Niemand übernimmt Verantwortung.

Das große Problem war, dass man im Westen angenommen hat, Russland könnte so schnell demokratisiert werden wie Polen oder Tschechien. Russland aber hat doppelt so lange unter dem Kommunismus gelebt, deshalb hat sich diese zivile Gesellschaft nicht entfalten können. Es geht um Führer, nicht um Programme. Die Menschen haben sich von der Politik abgewendet. Und das Schlimmste ist: Den neuen russischen Eliten geht es nicht um Stabilität oder Demokratie, ihnen geht es nur um materielle Dinge, darum, so schnell wie möglich reich zu werden.

Dass der Kreml korrupt ist[ist nicht neu. Aber bi]

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