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EU-Abgeordnete im Interview: "Kroatien nicht unter Generalverdacht stellen"

Die Grünen-Abgeordnete im Europaparlament Franziska Brantner sieht Kroatien reif genug für den Beitritt in die EU. Sie spricht aber auch darüber, welche Schwachstellen der Balkanstaat weiterhin angehen muss.

Die Europäische Kommission hat Kroatien in ihrem neuen Monitoring-Bericht bescheinigt, die Standards für eine Aufnahme in die EU zu erfüllen. Wie bewerten Sie die Einschätzung der Kommission?

Ich habe keinen Anlass, den Bericht der Kommission in Zweifel zu ziehen. Ich würde dem Urteil der Kommission folgen. Die kroatischen Gesetze an sich sind auf EU-Standard. Aber bei der Umsetzung ist noch Luft nach oben. Deshalb ist es wichtig, dass die Implementierung der Gesetze weiterhin überwacht wird. Das sollte aber nicht durch einen Sonder-EU Mechanismus passieren, sondern in erster Linie intern zum Beispiel über einen Sonderausschuss gegen Korruption im dortigen Parlament. Mit einer solchen internen Überprüfung muss darauf geachtet werden, dass das, was Kroatien bisher erreicht hat, nicht wieder zurückgenommen wird.

Woran hapert es noch am meisten in Kroatien?

Die Strafen in Korruptionsfällen sind immer noch sehr gering und stellen daher noch keine wirkliche Abschreckung dar. Außerdem gibt es auf kommunaler Ebene noch Schwierigkeiten bei der Verfolgung von Straftaten. Auf nationalem Level ist immerhin der ehemalige Premierminister verurteilt worden. Dieser Fall ist ein Zeichen, dass es Schritte in die richtige Richtung gab. Auf lokaler Ebene ist aber noch eine bessere Strafverfolgung notwendig, allerdings nicht in dem Maß, dass man sagen kann, dass es einen EU-Beitritt von Kroatien verhindert. Ein anderer Punkt ist immer noch die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen in den kroatischen Gerichten. Die läuft nämlich noch sehr schleppend. Auch sollten so genannte „Whistle Blower“, die bereit sind, als Informanten Missstände aufzudecken, stärker geschützt werden.

Wie sehen Sie die zivil- und menschenrechtliche Lage in Kroatien?

Die hat sich schon eindeutig verbessert. In der Vergangenheit wurden dort Schwulen- und Lesbenparaden wie der Christopher Street Day verboten. Das ist neuerdings nicht mehr der Fall, aber die Situation ist immer noch schwierig. Die Frage der Minderheiten ist dort wie in vielen Ländern eine hochbrisante und politische Debatte. Das ist ja aber auch in anderen EU-Staaten noch ein Problem.

Wieso sprechen Sie sich strikt dagegen aus, dass die EU nach dem Beitritt Kroatiens deren Gesetzesimplementierung kontrolliert?

Kroatien unter Generalverdacht zu stellen, hielte ich für ein politisch schwieriges Signal. Die Staaten, die so große Zweifel haben, dass sie von Anfang an eine europäische Sonderüberwachung wollen, sollten so ehrlich sein, zu sagen, dass sie einen Beitritt Kroatiens nicht wollen. Ich würde zusätzliche Mechanismen auf nationaler Ebene schaffen, damit sich die kroatische Bevölkerung mit dem Projekt verbunden fühlt. Und natürlich überprüft die Kommission weiterhin genau wie in allen EU Mitgliedsländern.

Welche Chancen, aber auch Risiken beinhaltet der EU-Beitritt für Kroatien?

Die größte Chance ist natürlich, Teil unseres Binnenmarktes zu werden. Ein Risiko ergibt sich daraus, dass sich die Grenzen für die anderen Balkanstaaten verstärken. Kroatien ist stark integriert in die Region, aber wenn es nun der EU und dann Schengen beitritt, gelten für Montenegro und Serbien die gleichen Einreise- und Handelsbestimmungen wie für Deutschland. Daher ist es wichtig, den anderen Balkanländern zu signalisieren, dass auch sie Beitrittsmöglichkeiten haben, wenn sie sich reformieren. Es darf nicht das Signal geben, dass bei Kroatien Schluss ist.

Was bringt der Beitritt Kroatiens der EU?

Kroatien hat als erstes Balkanland, das der EU beitritt, eine wichtige Bedeutung für die Wiedervereinung des europäischen Kontinents. Wenn die EU am Ende dazu beitragen kann, dass wir einen friedlichen Balkan haben, ist das ein sehr großer Gewinn für sie.

Das Gespräch führte Carolin Henkenberens.

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