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Politik: „EU erreicht ihre Zusagen nicht“

UN-Umweltchef Töpfer beklagt Verstöße gegen das Klimaabkommen

Wann haben Sie zum letzten Mal eine Flasche Sekt aufgemacht, um einen politischen Erfolg zu feiern?

Das haben wir hier in Nairobi des Öfteren gemacht. Allerdings keinen Sekt. Wir haben einen guten UnepWein, den uns einmal das Canton de Geneve spendiert hat und den wir zu besonderen Anlässen entkorken. Zum Beispiel unsere Rettungsaktion für die großen Primaten, die Menschenaffen, ist ein solcher Erfolg. Es ist sehr gut, dass die Welt die Augen geöffnet bekommt, dass unsere nächsten Verwandten in der Natur kurz vor dem Aussterben stehen. Und dass wir eine konzertierte Aktion mit der Unesco, vielen Nichtregierungsorganisationen und den Staaten, in denen noch große Affen leben, gestartet haben. Das ist ein großer Erfolg, auf den wir gerne anstoßen können. Oder ein zweites Beispiel: Das erste Datum im Aktionsplan des Weltgipfels in Johannesburg vom vergangenen Jahr ist das Inkrafttreten des Pic-Protokolls noch im Jahr 2003. Bei diesem Vertrag geht es um den Umgang mit gefährlichen Chemikalien. Vor wenigen Tagen haben wir das Ziel erreicht, nachdem der 50. Staat die Konvention ratifiziert hat. Solche Erfolge gibt es. Man muss nicht nur immer die Sterne betrachten. Aber der Weg zu den Sternen führt über solche wichtigen Zwischenschritte.

Was halten Sie von den europäischen Anstrengungen, die Kyoto-Ziele einzuhalten?

Es geht in der Tat nicht nur darum, ob das Kyoto-Protokoll ratifiziert wird, sondern ob die Staaten, die bereits ratifiziert haben, mit den Zielen des Abkommens in Einklang stehen. Deshalb ist es bedauerlich, um es vorsichtig zu sagen, dass auch in der Europäischen Union die Zusagen nicht erreicht werden. Gegenwärtig haben wir in Europa ein Wachstum der CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990, wie übrigens auch weltweit. Wir haben einen zweistelligen Anstieg der CO2-Emissionen und keine Stabilisierung, wie das angestrebt worden ist. Obwohl das Klimarahmenabkommen von 1992 ja in Kraft getreten ist. Es ist von mehr als 170 Staaten ratifiziert worden, einschließlich der USA.

Es gibt nicht viele internationale Umweltabkommen, die erfolgreich waren.

Als Erfolgsstory fällt einem immer nur das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht ein. Und selbst da gibt es Rückschläge. Die USA haben die letzte Vertragsstaatenkonferenz hier in Nairobi erst vor wenigen Tagen beinahe platzen lassen.

Taugen internationale Umweltabkommen überhaupt noch, oder müssten nicht „Koalitionen von Willigen" gebildet werden? Die USA haben es beim Irak-Krieg ja vorgemacht. Warum sollten solche Staatenbündnisse nicht auch etwas Positives für die Umwelt bewegen können?

Ich hoffe natürlich, dass das Montreal-Protokoll so erfolgreich bleibt, wie es in der Vergangenheit gewesen ist. Die Konferenz ist nicht gescheitert, sie ist vertagt, weil die US-Erdbeerfarmer Probleme damit haben, auf Methylbromid zu verzichten, ein Pestizid, das die Ozonschicht schädigt. Aber ich verfolge den Prozess mit großer Sorge. Trotzdem wäre es falsch, die Flinte ins Korn zu werfen. Ich glaube, dass wir viele erfolgreiche Konventionen haben. Sie sind oft regionale Abkommen, beispielsweise die zum Schutz der Ostsee oder die Internationale Rhein-Konvention zum Schutz des Rheins. Oder auch über andere Flusseinzugsgebiete, wie beispielsweise auch im Nahen Osten.

Eines der letzten Themen, über die Israelis und Palästinenser noch miteinander sprechen . . .

Richtig. Wir haben auch noch andere erfolgreiche Abkommen. Aber ich mache mir nichts vor. Die Schwäche der Umweltabkommen ist, dass sie wenig strafbewehrt sind. Es ist also schwer, ihre Umsetzung durchzusetzen. Doch selbst diese gelegentlich schwachen Verträge können sehr wirksam sein. In Delhi beispielsweise hat das oberste Gericht aufgrund internationaler Umweltverträge durchgesetzt, dass die dort eingesetzten Dreiradfahrzeuge nicht mehr mit Diesel, sondern mit SNG (synthetisches Naturgas) betrieben werden müssen. Das hat zu einer erstaunlichen Verbesserung der Luftqualität beigetragen. Trotzdem braucht es auch noch andere Instrumente.

Welche?

Wir sind sehr an Partnerschaften interessiert. Das war ja auch eines der Ergebnisse des Weltgipfels in Johannesburg, wo auf der einen Seite ein rechtlich verbindlicher Aktionsplan und auf der anderen Seite Partnerschaftsprojekte beschlossen worden sind, die nun auch in ihrer Umsetzung überwacht werden müssen. Wir haben das beispielsweise mit starker Unterstützung Deutschlands bei den erneuerbaren Energien umgesetzt. Aber das ersetzt nicht internationale Abkommen im Rahmen der Vereinten Nationen. Wir sollten nicht ohne Not bei globalen Problemen die globale Verantwortung aufgeben.

Es gibt in Deutschland einige, die Sie gerne wieder in die deutsche Innenpolitik zurückholen würden – als Bundespräsident. Was halten Sie davon?

Ich habe mir in meinem beruflichen Leben nur wenig Gedanken darüber gemacht, was nach einer Aufgabe kommen könnte. Ich habe versucht, meine Aufgaben möglichst gut zu erledigen. Daran möchte ich festhalten. Außerdem verdient es das System der Vereinten Nationen, dass all die, die dafür verantwortlich sind, ihre Aufgaben auch mit voller Konzentration angehen.

Das Gespräch führte Dagmar Dehmer.

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