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Politik: EU-Gipfel: Für die Deutschen das Asyl, für die Briten die Steuer

Der längste EU-Gipfel aller Zeiten hat bis zum Sonntagnachmittag lediglich Teileinigungen über die Reform der Gemeinschaftsinstitutionen hervorgebracht. Die 15 EU-Staats- und Regierungschefs wollten in einer Nachtsitzung die Hauptstreitpunkte zur Machtverteilung im Ministerrat und zur Ausdehnung von Mehrheitsentscheidungen beilegen.

Der längste EU-Gipfel aller Zeiten hat bis zum Sonntagnachmittag lediglich Teileinigungen über die Reform der Gemeinschaftsinstitutionen hervorgebracht. Die 15 EU-Staats- und Regierungschefs wollten in einer Nachtsitzung die Hauptstreitpunkte zur Machtverteilung im Ministerrat und zur Ausdehnung von Mehrheitsentscheidungen beilegen. Die Konfliktlinien verliefen dabei hauptsächlich zwischen kleinen und großen Mitgliedstaaten. Um eine umfassende Reform der Europäischen Union sollte es auf dem EU-Gipfel in Nizza gehen. Beschneidung des Veto-Rechts, Verkleinerung der Kommission und eine gerechtere Stimmengewichtung im Rat müssen dabei von der EU gemeistert werden - sonst droht der Union mit dem Beitritt weiterer Mitgliedsstaaten das Chaos. Doch die notwendigen Zugeständnisse fallen schwer, denn fast jedes Land wollte in der entscheidenden Verhandlungsphase am Wochenende vitale nationale Interessen verteidigen.

Deutschland wollte in Nizza auf keinen Fall sein Veto-Recht beim Thema Asyl und Einwanderung aufgeben. Dabei sitzen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auch die Bundesländer im Nacken. Voraussetzung für einen solchen Verzicht ist für Deutschland als größtem Aufnahmeland von Flüchtlingen ein europäisches Asyl- und Einwanderungsrecht, das die Lasten innerhalb Europas gerecht verteilt. Kompromissbereit zeigte sich der Bundeskanzler dagegen bei der deutschen Stimmengewichtung und dem Verzicht auf Kommissarsposten.

Großbritannien hatte mit Rücksicht auf die Euro-Skepsis in großen Teilen der Bevölkerung frühzeitig "rote Linien" gezogen und bestand vor allem auf seinem Veto-Recht in sechs Bereichen. Insbesondere in den Punkten Steuern und soziale Sicherheit wollte London nicht von seiner souveränen Entscheidungsgewalt abrücken. Premier Tony Blair hatte die Beibehaltung des Steuer-Vetorechts zu seinem Hauptziel in Nizza erklärt. Bei der Sozialpolitik will sich London keine höheren Standards von den EU-Partnern aufzwingen lassen.

Frankreich will insbesondere die heimische Filmindustrie schützen und sperrte sich daher dagegen, beim Handel mit geistigem Eigentum und Dienstleistungen künftig Mehrheitsentscheidungen zuzulassen. Ferner hatte sich Paris zum Ziel gesetzt, Deutschland trotz des Bevölkerungsunterschiedes von über 20 Millionen Einwohnern nicht mehr Stimmen im Rat zuzugestehen.

Spanien, Griechenland und Portugal sind bislang die größten Empfänger von Strukturhilfen - daher verteidigten sie in Nizza ihre Veto-Möglichkeit in diesem Bereich. Sie fürchten, nach der Erweiterung der EU weniger Geld zu bekommen.

Dänemark, Irland, Schweden und Luxemburg kämpften wie die Briten um das Einstimmigkeitsprinzip bei der Steuerpolitik.

Österreich und Schweden bildeten die Speerspitze der kleinen EU-Länder bei dem Ansinnen, auch nach einer umfangreichen Erweiterung der EU einen Kommissarsposten in Brüssel zu behalten.

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