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Politik: EU-Osterweiterung: Erstaunen, aber keine Panik: Wie Brüssel über die Beweggründe Günter Verheugens rätselt

Jonathan Faull, der Sprecher der EU-Kommission, legt Wert darauf, den Sachverhalt richtig einzuordnen: "Es gab keine Panik, und es gibt auch keine Panik", sagt er in der ersten Pressekonferenz nach dem Außenministertreffen in Evian. Sowohl der für die EU-Erweiterung zuständige Kommissar Günter Verheugen als auch die ganze Kommission seien wie bisher für einen schnellen Beitritt der Kandidatenstaaten.

Jonathan Faull, der Sprecher der EU-Kommission, legt Wert darauf, den Sachverhalt richtig einzuordnen: "Es gab keine Panik, und es gibt auch keine Panik", sagt er in der ersten Pressekonferenz nach dem Außenministertreffen in Evian. Sowohl der für die EU-Erweiterung zuständige Kommissar Günter Verheugen als auch die ganze Kommission seien wie bisher für einen schnellen Beitritt der Kandidatenstaaten.

Der für den Wettbewerb zuständige Sprecher Michael Tscherny hat den Konflikt kaum zur Kenntnis genommen: "Das ist doch eine rein innerdeutsche Debatte", kommentiert er den Streit darüber, ob ein Referendum über die EU-Erweiterung sinnvoll ist und ob Verheugen ein solches gefordert hat. Für die Kommission insgesamt spiele das Verheugen-Interview vom Wochenende keine Rolle.

Etliche der nicht-deutschen Brüsseler Korrespondenten fragten sich zudem, was denn eigentlich so gefährlich an einem Referendum ist, so dass sowohl der deutsche Außenminister als auch der Bundeskanzler nichts Eiligeres zu tun haben, als sich von einem solchen zu distanzieren. Die für Nahrungsmittelsicherheit und Verbraucherschutz zuständige Sprecherin des irischen Kommissars Byrne, Beate Gminder findet den Streit bezeichnend: "Die Reaktionen zeigen, wie wichtig es gerade in Deutschland ist, eine solche Debatte zu führen." Offenbar glaube dort niemand daran, dass ein Volksentscheid über die EU-Erweiterung auch positiv ausgehen könne. Wenn dies so sei, müssten sich die politischen Eliten in Deutschland erst recht intensiv dafür einsetzen. Genau das fordere Verheugen.

Ein ganz normales Interview

Doch es gibt auch skeptische Stimmen: "Unsinnig" nennt Elmar Brok, der profilierte konservative EU-Parlamentarier den Gedanken an Volksabstimmungen. Ein deutscher Generaldirektor grübelt, was Verheugen geritten haben mag, dieses Thema aufzubringen. Und auch Verheugens Sprecher Jean- Christophe Filori streut Asche auf das Haupt seines Chefs: "Kommissar Verheugen bedauert zutiefst, dass aus diesem Interview eine Auseinandersetzung über ein Referendum wurde", sagt er. Im Interview habe er gesagt, dass Referenden Politiker zwängen, auf die Sorgen der Bevölkerung einzugehen. Verheugen verlange, dass die Eliten aus ihrem Elfenbeinturm herauskämen und gegenüber den Menschen für die Erweiterung einträten. "Er hatte nicht die Absicht, eine Debatte über eine Verfassungsänderung in Deutschland zu lancieren", sagt Filori.

Verheugen selbst steht zu seiner Meinung. Er habe nicht vorgeschlagen, die Verfassung zu ändern, sondern bedauert, dass das Instrument des Volksentscheides nicht zur Verfügung stehe. In der Sache sei er sich mit den Regierungsparteien einig. Er sei auch davon überzeugt, dass das deutsch-polnische Verhältnis so fortgeschritten sei, dass es in Deutschland breite Zustimmung zum Beitritt Polens gebe.

Filori gibt zu, dass ihn überrascht hat, welche Lawine in Deutschland durch das Wort "Volksentscheid" losgetreten werden kann. Es sei ein ganz normales, lange geplantes Interview geführt worden. Deshalb habe Verheugen auch vorher nicht mit dem Kommissionspräsidenten Prodi darüber gesprochen.

Nachgedacht wird in Brüssel auch über die Frage, ob die Reaktion von Außenminister Fischer so schroff hätte ausfallen müssen. Fischer hätte das Interview auch herunterspielen können, heißt es. Andererseits haben Fischer und Verheugen alte Kontroversen aus dessen Zeit als Staatsminister. Verheugen habe auch Fischers Grundsatz-Europarede kritisiert. Zudem stoße Verheugens Strategie, die Verantwortung für die Zustimmung zur EU-Erweiterung zwischen den Mitgliedstaaten und Brüssel zu teilen, nicht auf Fischers Begeisterung.

Mariele Schulze Berndt

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