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Eupol: „Wir sind am Limit“

Jürgen Hauber, Chef des deutschen Polizeiprojekts in Kabul, über die Grenzen der Mission und darüber, wie man Attentäter überlistet

Herr Hauber, wir sind zusammen durch die Stadt gefahren, und im Gegensatz zu den anderen Ausländern fahren Sie nicht wie ein Verrückter. Die meisten wollen in Kabul schnell wieder runter von der Straße wegen der Anschläge – Sie nicht?

Doch, aber es ist die Frage, was mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht. Am 15. August letzten Jahres sind bei einem Anschlag drei Polizisten ums Leben gekommen, seitdem fahre ich „low profile“.

Low Profile heißt, Sie verstecken sich?

Es heißt, ich will nicht provozieren. Ich fahre lieber allein, nicht im Konvoi. Außerdem haben wir unsere Geländewagen umlackiert. Und ab und zu ziehen wir was Ziviles über die Uniform.

Sie haben noch die rein deutsche Mission mitbekommen und leiten nun das Eupol zuarbeitende deutsche Polizeiteam. Wie hat sich Ihr Alltag verändert?

In der ersten deutschen Mission haben wir ja noch alles selber gemacht: Beratung und konkrete Projekte. Nun macht Eupol das Consulting, hat aber für konkrete Projekte kein Geld. Da komme ich ins Spiel.

Was tun Sie also konkret?

Zum Beispiel: Die Grenzpolizei soll jetzt eine mobile Einheit dazubekommen. Eupol legt Strategien und Lernziele fest, und ich besorge in Deutschland dann die passenden Ausbilder. Außerdem kaufe ich die 165 Geländemotorräder ein, organisiere die Fahrschule und die Wartung. Wobei die von unseren Partnern ausgebildeten Mechaniker leider manchmal abhauen, um sich selbstständig zu machen. Aber, ehrlich, für mich ist auch das ein Beitrag zum Wiederaufbau des Landes. Insgesamt kümmert sich mein Team um Ausbildung, Ausstattung und Baumaßnahmen.

Viel Arbeit. Und Sie haben nur zehn Mann.

Wir sind am Limit. Ich könnte mindestens fünf Mann mehr brauchen. Aber jetzt stellt mir die GTZ noch Architekten und Beschaffer zur Seite, das hilft schon.

Wie sieht es mit dem Geld aus?

Das Budget ist gewachsen. Früher waren es nur zwölf Millionen. Für 2008 haben wir fast 36 Millionen Euro. Die brauchen wir auch. Wir kaufen schließlich groß ein. Die Palette reicht vom Anhaltestab für die Verkehrspolizei für ein paar Euro bis zum Spektralanalysegerät für die hiesige Kripo für 100000 Euro.

Die Amerikaner investieren 2,2 Milliarden Dollar und schicken 2000 Ausbilder ...

Wir haben nicht die Ressourcen, um mit den Amerikanern mithalten zu können. Aber wir können mit Qualität dagegenhalten. Die Amerikaner machen die Grundausbildung, und wir satteln oben drauf.

Trotzdem gab es für die deutschen Polizisten bisher viel Schelte.

Am Anfang haben wir zu viel vorausgesetzt, das gebe ich zu. Zweieinhalb Jahre Ausbildung anzusetzen für den gehobenen Dienst – für Leute, die oft nicht mal schreiben können ... naja. Es sind auch bei der Polizei heute 70 Prozent Analphabeten. Eupol muss das nun ausbalancieren.

Gleichzeitig verschlechtert sich die Sicherheitslage rapide. Kann man da noch gegen an mit der Ausbildung neuer Polizisten?

Das ist ein großes Problem. Wir wissen, wie viel Mann wir in den Dienst gestellt haben – aber wie viele im Dienst bleiben, das ist etwas anderes. Wenn einer monatelang kein Geld sieht, geht er, klar. Oder die Polizisten, die im umkämpften Süden eingesetzt werden sollen: Auf dem Weg da runter gibt es ziemlichen Schwund.

Der Polizist als Staatsdiener, auch als Freund und Helfer – kann man so etwas in Afghanistan überhaupt vermitteln?

Wir versuchen das. Aber Sie müssen das so sehen: Auf dem Land kommt für viele Afghanen zuerst das Paschtunwali, der Ehrenkodex der Paschtunen. Dann die Scharia, die islamische Rechtsprechung – erst dann kommen Gesetze, wie wir sie kennen. Wir können hier nicht einfach unseren westlichen Ansatz überstülpen. Wir müssen die traditionellen Gefüge einbeziehen.

Opiumschmuggel und Korruption?

Das habe ich nicht gemeint, eher den Dorfältesten. Aber Korruption und Vetternwirtschaft sind hier reale Elemente des Funktionierens, damit muss man sich erst mal abfinden. Man hat ja auch heidnische Bräuche übernommen, um das Christentum einzuführen.

Worüber freuen Sie sich?

Dass das Kripo-Labor Geschosse jetzt Waffen zuordnen kann. Neulich habe ich eine Demo gesehen, die ordnungsgemäß begleitet wurde. Und am Flughafen laufen unsere Seminare zur Luftsicherheit und Fluggastkontrolle sehr erfolgreich.

Wir wurden am Flughafen von den Beamten nach Geld gefragt.

Tja, ich habe Geduld gelernt.

Sie bleiben also noch eine Weile?

Ja. Es hat auch Suchtpotenzial, etwas von Grund auf aufbauen zu können.

Das Gespräch führte C.-F. Röhrs.
Jürgen Hauber, 51, Kriminaldirektor aus Stuttgart, leitet das deutsche Polizeiprojekt in Kabul. Er ist für die Ausbildung und Ausstattung afghanischer Polizisten zuständig.

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