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Europa: Allein auf der Insel

Wie der EU-Parlamentspräsident Pöttering versucht, die Briten mit globalen Themen wieder für Europa einzunehmen

Von Markus Hesselmann

Ein Zwischenrufer war natürlich auch da. Hans-Gert Pöttering hatte gerade seine Rede begonnen und die große gemeinsame Zukunft der Europäischen Union und Großbritanniens beschworen, da rief ein älterer Herr: „Nein, wir werden bald austreten.“ Der Präsident des EU-Parlaments blieb ruhig. Er kennt solche Situationen aus Straßburg und Brüssel. „Ich respektiere Ihre Meinung. Und ich hoffe Sie respektieren, wenn ich jetzt meine Rede fortsetze“, sagte Pöttering. Diese Rede hielt der deutsche EU- Politiker am Mittochabend im vollbesetzten Auditorium der London School of Economics (LSE).

Das Thema war geschickt gewählt: Pöttering wollte seinen größtenteils jungen Zuhörern die EU über ihre Rolle bei der Lösung globaler Probleme nahebringen: „Kein Land der Welt kommt da allein weiter“, sagte Pöttering. „Es sind Ansätze gefragt, die über die Nation hinausgehen.“ In seinem Vortrag ging es darum, wie ein Kampf der Kulturen verhindert werden könne. Pöttering plädierte dafür, die durch die EU verkörperte europäische Erfahrung friedlicher Koexistenz noch stärker in die globale Debatte einzubringen. „Ich hätte genauso gut über den Klimaschutz sprechen können“, sagte Pöttering hinterher: Auch hier könne nur der weltweite Einfluss einer starken Gemeinschaft wie der EU etwas bewirken, nicht ein nationaler Alleingang.

Klimaschutz und Kampf gegen den Terrorismus – das sind zwei Themen, bei denen sogar Gordon Brown die EU lobend erwähnt. Ansonsten spricht der britische Premierminister lieber nur selten über Europa. Zu frisch ist beim Wahlvolk noch die Erinnerung an das verweigerte Referendum zum Reformvertrag der EU. Zu groß noch das Potenzial für die oppositonellen Konservativen, daraus Kapital zu schlagen.

Aus der EU austreten, wie es der Zwischenrufer schon ankündigte, will Großbritannien derzeit nicht. Doch die Debatte auf der Insel ist so verfahren, dass ein Proeuropäer wie Nick Clegg, der neue Parteichef der Liberalen, jetzt Spektakuläres forderte: Nicht über den Reformvertrag, sondern über Großbritanniens Verbleib in der EU solle das Volk abstimmen. Ein solches Votum sei nötig, um wieder vernünftig über den Sinn der EU diskutieren zu können.

Im Gespräch mit deutschen Journalisten nach seiner Rede wollte Pöttering weder zu Cleggs Vorschlag noch zu einer möglichen Kandidatur des früheren britischen Premiers Tony Blair als EU-Präsident Stellung nehmen. Diese Zurückhaltung lässt sich noch mit seiner neutralen Rolle als Parlamentspräsident erklären. Dass sich Pöttering aber den britischen Medien bei diesem Besuch bewusst entzog und dies in seiner Rede an der LSE auch noch fast stolz verkündete, dürfte nicht zur Verbesserung der Europa-Debatte im Vereinigten Königreich beigetragen haben. Und das am Tag, an dem britische Medien darüber berichteten, dass eine Untersuchung über Vorwürfe unzulässiger Zahlungen an EU-Abgeordnete geheim gehalten werde. Ein BBC-Reporter, der im LSE-Auditorium saß, fragte Pöttering nach diesem Report. Der Parlamentspräsident antwortete, dass man Wirtschaftsprüfer mit dem Fall beauftragt habe. Es sei nicht allein seine Entscheidung, ob deren Ergebnisse veröffentlicht würden oder nicht.

Vor seinem Vortrag war Pöttering bei Königin Elisabeth II. und bei Brown. „Ich verlasse Großbritannien mit der Gewissheit, dass die Ratifizierung des Reformvertrags auf gutem Wege ist“, sagte Pöttering. Mit Oppositionsführer David Cameron sprach der CDU-Politiker auch über einen Vorfall kürzlich in Straßburg: Der konservative britische EU-Abgeordnete Daniel Hannan hatte Pötterings neue Handhabe gegen Störungen mit dem Ermächtigungsgesetz für Hitler verglichen. Ob sich Cameron für seinen Parteifreund entschuldigt habe, wollte Pöttering nicht sagen. Stattdessen verwies er darauf, dass Hannan mit großer Mehrheit aus seiner Fraktion ausgeschlossen worden sei.

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