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Politik: Europa heißt sein Auftrag

FISCHER IN DEN USA

Von Hans Monath

Werden sich die Mundwinkel von Dick Cheney zu einem Lächeln bequemen? Wie viele Sekunden wird der amerikanische Vizepräsident vor den Kameras die Hand seines Gastes Joschka Fischer schütteln? Oder platzt gar, wie kürzlich bei der Visite von Ministerpräsident Roland Koch, ganz zufällig eben mal George W. Bush ins Amtszimmer seines Vizes, um dem Mann aus Deutschland eine besondere Aufwertung zukommen zu lassen?

Zum erstenmal seit Ende des IrakKrieges empfängt die Spitze der US-Regierung wieder einen Top-Mann der Regierung, die ihnen auf dem Weg nach Bagdad so viel Steine in den Weg gelegt hatte. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass auch Bush das Verhältnis zu Kanzler Schröder wieder normalisieren will. Deshalb wird der Auftritt Fischers in Washington einen Deutungs-Wettbewerb für Körpersignale provozieren: Wie nahe ist man sich schon wieder?

Fischer kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Amerika plötzlich entdeckt, dass es Verbündete braucht: Das Debakel nach dem militärischen Triumph im Irak mindert schon die Chance des Präsidenten auf eine Wiederwahl. Mit neuer Aufmerksamkeit wird registriert, was Deutschland gemeinsam mit Partnern in Nato und EU für die gemeinsamen Sicherheit leistet: Beim Kampf gegen den Terror in Afghanistan und beim Nahost-Friedensplan arbeiten Berlin und Washington eng zusammen. Getrennte Strategien verfolgen sie gegenüber der Gefahr atomarer Rüstung im Iran, haben sie bis zur Invasion gegenüber dem Irak verfolgt.

In der Sache gibt es für die Berliner Außenpolitiker keinen Grund, in Washington das Haupt zu senken: Im Irak verliert das berechtigte Gefühl der Freude über den Sturz Saddam Husseins immer mehr Kraft, weil die Menschen über die Abwesenheit von Ordnung, den Wassermangel und den Hunger verzweifeln. Der weltweite Terrorismus ist eher gestärkt worden, die Gefahr regionaler Destabilisierung nicht gebannt. Und inzwischen peinigt die US-Öffentlichkeit die eigene Regierung mit dem Vorwurf, sie habe mit Horrormeldungen über Massenvernichtungswaffen Stimmung gemacht.

Jede Geste der Rechthaberei hat Berlin seit Kriegsende tunlichst vermieden. Die Deutschen wollen eben auch, dass die Stabilisierung des Iraks gelingt, an der die Amerikaner gerade zu verzweifeln beginnen: Den Frieden zu gewinnen, kann am Ende nicht nur mehr Geld, sondern auch mehr amerikanisches Blut kosten, als den Krieg zu gewinnen.

Deshalb werden aus Washington erste Rufe nach Militärhilfe der Verbündeten laut. Aber soll die überlastete Bundeswehr nun auch noch in den Irak? Abgesehen von der Nennung von Bedingungen – UN-Mandat und legitimierte irakische Regierung – vermeidet die Koalition jede Festlegung. Dabei ist man in Berlin tunlichst bemüht, US-Wünsche nicht zu enttäuschen, wie das Aufschieben der Entscheidung über die Ausweitung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan zeigt.

Aber warum soll nun jedes Land einzeln mit den USA verhandeln? Die EU als Ganzes hat ein Interesse, dass die Nachbarregion befriedet wird. In der Kriegsfrage war Europa gespalten, in der Frage des Aufbaus könnte es sich einig zeigen: Wenn die EU sich um ein UN-Mandat bemühen und einen Aufbaugipfel einberufen würde, wenn nicht nur Polen und Briten, sondern alle 25 künftigen EU-Mitglieder Geld, Spezialisten oder Soldaten in den Irak schickten, hätte das Land eine bessere Zukunft. In Amerika würde deutlich, dass hier ein neuer Partner für die Weltpolitik Verantwortung übernimmt. Vielleicht würden die Amerikaner beim nächsten außenpolitischen Problem nicht fragen, wer es militärisch löst, sondern danach, wie sich mit Partnern das beste Ergebnis erzielen lässt.

Zweifellos müssten sich die Deutschen zu einem gehörigen Maß an Selbstverleugnung bequemen, damit bald der italienische EU-Ratspräsident Berlusconi mit großer Geste den Amerikanern ein solches EU-Hilfsangebot unterbreiten könnte. Aber wenn er in Washington mit Dick Cheney vor die Kameras tritt und seine ernste Weltlasten-Miene aufsetzt, mag sich Joschka Fischer mit dem Gedanken trösten: Die Bescheidenheit, die ein solcher Plan der deutschen Außenpolitik abverlangt, wird seinen Ambitionen auf das Amt eines Europäischen Außenministers bestimmt nicht abträglich sein.

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