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Politik: Europa lässt sich Zeit

Frankreich will 1400 Blauhelme in Kongo führen. Die EU entscheidet aber erst kommende Woche, ob sie mitmacht

Die UN wollen schnell Soldaten nach Kongo entsenden, um das Morden zwischen den Volksgruppen der Hema und Lendu im Nordosten des Landes zu beenden. Dies beschloss der UN-Sicherheitsrat am Freitag einstimmig. Doch die EU lässt sich Zeit bis Mitte kommender Woche, um zu entscheiden, ob sie an der Friedensmission teilnimmt.

Wie brenzlig die Lage ist, machte das UN- Kinderhilfswerk (Unicef) am Freitag noch einmal deutlich. 50 000 Menschen seien aus der umkämpften Stadt Bunia in die umliegenden Dörfer geflüchtet, berichtete der Leiter von Unicef in Kongo, Gianfranco Rotigliano. Zugleich verurteilten die UN einen lokalen Radiosender in Bunia für die Verbreitung von Hasstiraden und Drohungen. Die Hema-Milizen hatten über den Sender angedroht, das Gelände der UN-Mission für Kongo (Monuc) zu stürmen, um Tausende dort Schutz suchende Zivilisten zur Rückkehr in ihre Häuser zu zwingen. Auch drei kirchliche Entwicklungsorganisationen in Deutschland – Misereor, der Evangelische Entwicklungsdienst und Brot für die Welt, forderten in einem offenen Brief an den Bundeskanzler den Einsatz einer „internationalen Interventionsstreitmacht“ im Nordosten Kongos.

Sicher ist bereits, dass Frankreich die Führung der Friedensmission übernimmt. Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie kündigte bei einer Anhörung vor dem Verteidigungsausschuss der Nationalversammlung an, dass Frankreich 700 der 1400 Soldaten stellen werde. Frankreich bemüht sich auch um eine Beteiligung Südafrikas an der Blauhelmtruppe. Interessiert sind die französischen Militärs zudem an logistischer Unterstützung durch die EU-Partner und daran, dass andere Mitgliedstaaten Spezialaufgaben übernehmen. Unter den Europäern denken bisher nur Schweden, Italien und Großbritannien über eine Entsendung von Soldaten nach. In Berlin wird offenbar diskutiert, ob einige Generalstabsoffiziere ins Hauptquartier vor Ort entsandt werden können. Dafür wäre ein Bundestagsbeschluss nötig.

Die in Brüssel meistgestellte Frage ist gegenwärtig, ob, wie und wann die EU-Truppe Kongo wieder verlassen können wird. Geplant ist bereits, dass im August ein größeres UN-Blauhelmkontingent aus Bangladesch mit robusterem Mandat als bisher die Mission im Kongo übernehmen wird.

Paris ist dennoch aus zwei Gründen daran gelegen, dass die EU sich einschaltet: Zum einen gibt es in Ruanda immer noch Vorbehalte gegen einen Friedenseinsatz unter französischer Flagge. Mit diesem Argument hatte sich auch UN-Generalsekretär Kofi Annan an die EU gewandt, die bisher lediglich zwei Prozent der friedenserhaltenden Truppen für Afrika stellt.

Zum zweiten ist Frankreich stark daran interessiert, dass sich die EU in Kongo an einer von der Nato unabhängigen Mission beteiligt. Damit hätte Paris ein lang angestrebtes Ziel erreicht, nämlich die EU unabhängig von der Nato und trotzdem militärisch handlungsfähig zu machen. Die Vereinbarungen über die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik enthalten ausdrücklich die Möglichkeit, dass die EU autonome Operationen unter der Führung einzelner nationaler Hauptquartiere ohne Hilfe der militärischen Allianz ausführt.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

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