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© dpa

Europapolitik: EU-Reformvertrag: Bayerischer Vorbehalt

Die CSU hat weiter Bedenken gegen das neue Gesetz zum EU-Reformvertrag – möglicherweise stimmt sie gar nicht zu.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Es gibt Schlagzeilen, sagt einer in Berlin, die lesen sie in München gar nicht gerne. CSU-Chef Horst Seehofer hat dieser Tage vielfach lesen müssen, dass er sich mit Forderungen, die deutsche Europapolitik an die Kette von Bundestag und Bundesrat zu legen, nicht habe durchsetzen können. Seither hat sein Berliner Statthalter Peter Ramsauer ein Problem. Er soll auf Teufel komm raus die Niederlage in Sieg verwandeln.

Die Sache, um die es dabei geht, ist schwer verständlich und, wie sie auch in München einräumen, „sicherlich nicht wahlentscheidend“. Das ändert nichts an Seehofers Entschlossenheit. Gut sichtbare Euroskepsis ist eine der christsozialen Traditionen, die er für Erfolgsbringer hält und wiederbeleben will. Dass sein Generalsekretär Alexander Dobrindt an dem Punkt sogar echter Überzeugungstäter ist, verschärft den Druck.

An den neuen Begleitgesetzen zum EU-Reformvertrag von Lissabon selbst kann die CSU nicht mehr rütteln. Die werden nächste Woche im Bundestag beraten und Anfang September verabschiedet. Doch Unionsfraktionschef Volker Kauder und sein SPD-Kollege Peter Struck haben dem bedrängten Ramsauer zugestanden, dass der Bundestag zusätzlich eine Entschließung verabschieden soll.

In der will die CSU-Spitze nun wenigstens zwei ihrer nicht erfüllten Forderungen doch noch untergebracht sehen: Erstens soll das Parlament sich dafür aussprechen, dass das Bundesverfassungsgericht – und nicht nur der Europäische Gerichtshof – EU-Vorhaben auf Kompetenzanmaßung der Brüsseler Institutionen hin überprüfen darf. Zweitens soll der Bundestag festhalten, dass der Lissabon-Vertrag nur in der Interpretation des Karlsruher Gerichts gilt.

Ersteres lehnte die SPD umgehend ab: Im übrigen Europa könne es als „Kampfansage“ gelten, wenn ein deutsches Gericht der EU die Kompetenzen vorschreiben wolle, schrieb Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann an die eigenen Abgeordneten. Die billigten in einer Sondersitzung das eigentliche Gesetzespaket.

Die zweite Forderung, dass das Verfassungsgerichtsurteil zum Lissabon-Vertrag die Politik binden müsse, wirkt wie eine Selbstverständlichkeit. Doch völkerrechtlich könnte ein förmlicher deutscher Interpretationsvorbehalt böse Folgen haben: Deutschland würde, so die Ansicht der anderen Parteien, die Auslegung seines Gerichts als nicht nur für sich, sondern für alle Partner verbindlich erklären. Die würden das kaum auf sich sitzen lassen und ihrerseits einseitige Interpretationen übermitteln. Der Lissabon-Vertrag würde damit, sagt ein CDU- Mann, vom ersten Tag an vom verbindlichen Gemeinschaftsdokument zur Auslegungssache – „tot, bevor er lebt“.

Eine Bundestagsentschließung liefe symbolisch auf das Gleiche hinaus, je nach Formulierung sogar rechtlich. Oppermann lehnte das CSU-Begehren, dass die Regierung das Karlsruher Urteil als gültige Interpretation in Brüssel einreichen müsse, als „rechtlich nicht möglich“ ab. Ob eine Formel gefunden wird, die die juristische Klippe umschifft, war offen; ob sie bis zur Sondersitzung der Unionsfraktion zum Lissabon-Paket am Freitagvormittag steht, ebenfalls. Seehofer machte Druck: Ein Entschließungsantrag sei „Voraussetzung“ für das Ja der CSU zum ganzen Paket. Aber auch andere erkennen mittlerweile das wahlkämpferische Potenzial in dem spröden Thema. SPD-Politiker fordern ein Eingreifen der Kanzlerin ebenso wie Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast: Angela Merkel müsse gegen „systematische Europafeindlichkeit“ ein Machtwort sprechen.

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