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Politik: Europas Verantwortung für die globale Sicherheit

Die EU muss ihre militärischen Fähigkeiten konsequent ausbauen Von Franz Josef Jung und Seppo Kääriäinen

Die Europäischen Gipfeltreffen in Köln und Helsinki 1999 waren die Geburtsstunden der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). In den sieben Jahre seit der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der EU „zur Stärkung der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ hat sich die ESVP zu einem ernst genommenen Akteur im internationalen Krisenmanagement mit umfassenden zivilen und militärischen Fähigkeiten entwickelt. In kaum einem anderen Politikbereich konnten innerhalb so kurzer Zeit so große Fortschritte erzielt werden. Die EU ist derzeit auf drei Kontinenten in elf Missionen und Operationen mit den Mitteln und Instrumenten der ESVP engagiert. Das Spektrum reicht dabei von militärischen Operationen über Polizei- und Justizmissionen bis hin zu Beobachtermissionen.

Mit der Europäischen Sicherheitsstrategie vom Dezember 2003 haben die EU-Mitgliedstaaten der ESVP die Richtung vorgegeben. Ein umfassender Sicherheitsbegriff, wirksamer Multilateralismus, präventives Engagement und die strategische Partnerschaft vor allem mit den USA bestimmen zunehmend die Weiterentwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Die Entwicklungen auf dem afrikanischen Nachbarkontinent sind für Europa von unmittelbarer sicherheitspolitischer Bedeutung. Die Globalstrategie der EU für die Beziehungen zu Afrika vom Dezember 2005 zielt auf eine Politik der Stabilisierung durch Entwicklung einer strategischen Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Afrika. Die Operation EUFOR im Kongo war erfolgreich und hat entscheidend dazu beigetragen, dass die kongolesische Bevölkerung erstmals seit über 45 Jahren in Sicherheit an freien und fairen Wahlen teilnehmen konnte. Die parallel im Kongo durchgeführten zivilen ESVP-Missionen zum Aufbau einer Polizei (EUPOL) und integrierter Streitkräfte (EUSEC) werden das Land langfristig weiter stabilisieren.

Auch die bisher größte militärische Operation der EU, ALTHEA in Bosnien-Herzegowina, verläuft sehr erfolgreich. Es ist gelungen, den von der Nato begonnenen Prozess fortzusetzen und ein Umfeld zu schaffen, in dem sich das Land in Richtung euro-atlantischer Strukturen weiterentwickeln kann. Auf der Grundlage der bisher erzielten Fortschritte haben wir gemeinsam mit unseren Partnern in der EU Überlegungen über eine möglichen Anpassung des Umfangs dieser internationalen militärischen Sicherheitspräsenz begonnen.

Ein Inkrafttreten des EU-Verfassungsvertrags würde der gemeinsamen außenpolitischen Ausrichtung der Europäischen Union weiteren Rückenwind verleihen. Die im Verfassungsvertrag vorgesehenen einzelnen Fortschritte in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik konnten bereits vorgezogen weitgehend realisiert werden. Mit der im Juli 2004 gegründeten Europäischen Verteidigungsagentur wird die Herausbildung eines Rüstungsbinnenmarktes angestrebt. Erste erfolgversprechende Ansätze hin zu einer gemeinsamen europäischen Beschaffungspolitik werden die ESVP langfristig weiter stärken.

Das Battlegroups-Konzept wurde im Juni 2004 durch den Europäischen Rat gebilligt. Zweieinhalb Jahre später, ab dem 1. Januar 2007, wird die Europäische Union in der Lage sein, jederzeit und sehr kurzfristig zwei Krisenmanagement-Operationen gleichzeitig mit je einer Battlegroup in einer Stärke von etwa je 1500 Soldaten durchzuführen. Deutschland, Finnland und die Niederlande werden gemeinsam die erste voll einsatzbereite Battlegroup der EU bereitstellen.

Um die Handlungsfähigkeit der EU im internationalen Krisenmanagement weiter zu stärken, müssen ihre zivilen und militärischen Fähigkeiten konsequent ausgebaut werden. Aber sie müssen auch noch besser aufeinander abgestimmt werden. Der Zwang zur zivil-militärischen Koordination und Kooperation muss sich stärker als bisher auch in Strukturen und Verfahren niederschlagen. Daneben muss die Union noch stärker auf Multinationalität setzen, ohne an Effektivität zu verlieren. Und sie muss die Zusammenarbeit mit der Nato, den Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union, der OSZE und dritten Staaten, allen voran Russland, intensivieren.

Die politischen Herausforderungen unserer Zeit können nur mit langfristig angelegten Strategien gemeistert werden, die weit über den engen Rahmen einer sechsmonatigen Ratspräsidentschaft hinaus wirken müssen. Deshalb wird beginnend mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft erstmalig ein gemeinsames 18-Monate-Programm der drei aufeinanderfolgenden Präsidentschaften Deutschlands, Portugals und Sloweniens erarbeitet. Mit der Erweiterung der Europäischen Union zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 1. Januar 2007 um Rumänien und Bulgarien auf dann 27 Mitglieder werden Kontinuität, enge Kooperation und fortschreitende Integration noch deutlicher die Schlüssel zum Erfolg.

Europa trägt immer größere Verantwortung für die globale Sicherheit. Finnland hat während der vergangenen sechs Monate in der ESVP viele neue Akzente gesetzt und dabei sehr eng und vertrauensvoll mit allen seinen Partnern zusammengearbeitet. Deutschland wird auf den Arbeiten der finnischen Präsidentschaft aufbauend eigene Expertisen einbringen und die Bemühungen um Stärkung der europäischen Handlungsfähigkeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik fortführen. Gemeinsam mit allen unseren Partnern verfolgen wir das Ziel, Europa mit seinen mehr als 450 Millionen Bürgern so zu stärken, dass es seiner ständig steigenden Verantwortung für die globale Sicherheit gerecht werden kann.

Franz Josef Jung ist Bundesverteidigungsminister, Seppo Kääriäinen ist finnischer Verteidigungsminister.

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