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Expertenrunde: Leiden im Knast sind menschenrechtswidrig

Für die Haftbedingungen in Deutschland finden Experten zwei Worte: "trostlos und schockierend“. Bürgerrechtler zeichnen ein düsteres Bild des Lebens in deutschen Gefängnissen.

„Die Haftbedingungen in deutschen Gefängnissen sind nicht mehr vereinbar mit den Menschenrechten.“ Zu diesem Fazit kam am Wochenende das Komitee für Grundrechte und Demokratie. Die Bürgerrechtsorganisation hatte in Bonn zu einer öffentlichen Anhörung eingeladen, Thema der Expertenrunde waren die Lebensbedingungen im Gefängnis. Dort verbüßen derzeit rund 75 000 Menschen eine Freiheitsstrafe.

Das Ergebnis dieser Bestandsaufnahme bezeichnete Komitee-Sprecher Helmut Pollähne als „trostlos und schockierend“. Die anwesenden Fachleute, darunter viele Rechtsanwälte und Richter, zeichneten ein düsteres Bild vom Alltag hinter Gittern. Immer noch seien die Gefängnisse überfüllt, immer noch seien Häftlinge gezwungen, mit anderen einen Haftraum von wenigen Quadratmetern zu teilen. Pollähne bezeichnete es dabei als unfassbar, wie wenig sich in den letzten Jahren verbessert habe. In einigen Justizvollzugsanstalten müsse sogar noch darum gestritten werden, die Toilettenräume in der Gemeinschaftszelle mit einem Sichtschutz abzutrennen.

„Das Leben im Gefängnis ist perspektivlos und grauenhaft“, fasste eine Strafverteidigerin aus Hannover zusammen. Andere Teilnehmer sprachen von zunehmender Gewalt, steigenden Selbstmordraten, aber auch immer mehr Gefangenen, die psychisch erkrankten. Die Menschen litten unter der Trennung von ihrer Familie und den geringen Besuchsmöglichkeiten. Die Zahl der Lockerungen wie Hafturlaube und Ausführungen sei zurückgegangen, Personal werde immer weiter abgebaut, es ginge schon längst nicht mehr um die Resozialisierung. „Viele Gefangene dämmern dreiundzwanzig Stunden am Tag in ihren Zellen vor sich hin“, beschreibt eine Gefängnisseelsorgerin aus Nordrhein-Westfalen ihre Erfahrungen.

Drastisch schildert der Kölner Journalist Klaus Jünschke das Gefühl des Eingesperrtseins: Die Gefangenen reagierten teilweise panisch, wenn die Zellentür abgeschlossen werde, sie stünden Todesängste in den kleinen Räumen aus. „In der Gefängniszelle erleben sie die totale Ohnmacht“, beschreibt Jünschke, der RAF-Mitglied und sechzehn Jahre in Haft war, die Hilflosigkeit der Gefangenen. Jünschke forderte, mit dem „Prinzip Zellengefängnis“ Schluss zu machen: „Es geht nicht an, Menschen in Räume zu sperren, die nicht einmal sechs Quadratmeter groß und noch zur Kaiserzeit erbaut worden sind.“

Eine Richterin aus Frankfurt/Main beklagte die faktische Rechtlosigkeit der Gefangenen. Selbst wenn Gefangene mit Erfolg bessere Haftbedingungen einklagten, die Anstaltsleitungen könnten machen, was sie wollten. „Es gibt keine Möglichkeit, die Gerichtsbeschlüsse zum Beispiel mit Zwangsgeldern durchzusetzen.“ Das sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen worden.

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