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Assebauer

© SWP

Expertin Asseburg: "Es hängt vom Engagement der USA ab"

Expertin Muriel Asseburg hält eine Einigung in Nahost für möglich, falls es bald eine konkrete Perspektive für die Palästinenser gibt.

Die Hamas hatte schon vor der Konferenz in Annapolis der Palästinenserdelegation das Recht zur Verhandlungsführung abgesprochen. Was für einen Sinn haben nun die weiteren Gespräche?

Das ist in der Tat eines der Hauptprobleme. Seit dem Zusammenbruch der Einheitsregierung und der gewalttätigen Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen hat die Hamas der PLO und Präsident Mahmud Abbas ihre Unterstützung dafür entzogen, für alle Palästinenser Verhandlungen zu führen. Ohne innerpalästinensische Aussöhnung aber wird es unmöglich sein, Verhandlungen zu führen und letztlich auch Ergebnisse eines Abkommens umzusetzen. Eine schnelle innerpalästinensische Aussöhnung wiederum wird aber nur schwer möglich sein, weil Israel und die USA dies bisher verhindern möchten.

Wie könnten die verfeindeten Palästinensergruppen zusammengebracht werden?

Die Hamas-Führung hat Bereitschaft gezeigt, die Kontrolle des Gazastreifen aufzugeben und mit der Fatah ein neues Arrangement zu suchen, das sich am Mekka-Abkommen von 2007 orientieren würde. Jedoch hat die politische Führung im Gazastreifen nur noch begrenzt Einfluss, weshalb man sich jetzt auch mit dem radikaleren, militärischen Flügel von Hamas konfrontiert sieht. Es ist unklar, ob sich die politische Führung um Ismail Hanija, überhaupt durchsetzen können wird.

Kann 2008 ein Friedensvertrag geschlossen werden?

Das hängt sehr stark von der Bereitschaft der USA, und der internationalen Gemeinschaft insgesamt ab, sich zu engagieren. Sie müssten dafür Sorge tragen, dass die Verhandlungen einen konkreten politischen Horizont bekommen; die Konfliktparteien also wissen, wo genau man bis Ende 2008 landen will. Das lässt sich der Abschlusserklärung nicht entnehmen. Da ist zwar die Rede von einer Zweistaatenlösung, aber es gibt keinen Hinweis auf die relevanten Sicherheitsratsresolutionen, damit ist die Rechtsbasis für die Konfliktlösung unklar. Auch wird das Nahostquartett kein einziges Mal erwähnt, ebenso wenig die arabische Friedensinitiative. Und es ist unklar, was im israelisch-libanesischen und im israelisch-syrischen Konflikt passieren soll.

Das klingt eher entmutigend.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Einigung gelingt. Es ist aber sehr wichtig, dass die USA jetzt alles daran setzen, die Verhandlungen aktiv zu begleiten und zu einem Ergebnis zu führen. Wenn es jetzt bald eine konkrete Perspektive gibt und zudem vertrauensbildende Maßnahmen, die den Alltag und das Leben in den palästinensischen Gebieten erleichtern, könnte das viel Unterstützung für den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas generieren. Dann würde es für Fatah auch leichter, auf Hamas zuzugehen, gleichzeitig geriete Hamas noch stärker unter Druck - sie verliert ja ohnehin schon an Popularität.

Warum ist es andererseits für die israelische Regierung so problematisch über Fragen wie Rückkehrrecht für palästinensischen Flüchtlinge, Grenzziehung und Jerusalem zu sprechen?

Alle diese Fragen - Jerusalem, Siedlungen, die Flüchtlinge - sind ganz eng verknüpft mit dem Selbstverständnis des israelischen Staates als jüdischem Staat und dem Anspruch auf das Land. Ganz konkret stellt sich Israels Regierung die Frage des eigenen politischen Überlebens: Zwei Parteien in der Koalition haben sehr deutlich gemacht, dass sie bei ernsthaften Zugeständnissen in diesen Fragen aus der Regierung austreten würden. Und wenn Israel Beitenu, die rechte Partei von Awigdor Liebermann, und die ultraorthodoxe Shas-Partei die Koalition verlassen, hat Premier Ehud Olmert keine Mehrheit mehr in der Knesset.

Dem Iran hat die Teilnahme Syriens und Saudi-Arabiens an der Konferenz sehr missfallen. Funktioniert die amerikanischen Containment-Politik gegenüber Teheran?

Sie kann so lange funktionieren, so lange es dabei wirklich um Containment geht, denn da haben die arabischen Staaten relativ ähnlich gelagerte Interessen, versuchen diese aber auch über Kooperation zu lösen. Insbesondere Saudi-Arabien versucht, sich mit dem Iran bei konkreten Fragen ins Benehmen zu setzen. Bei der Stabilisierung des Libanon oder Palästinas hat Riad immer wieder versucht, zu gemeinsamen Ansätzen zu kommen. Denn nur so können letztlich Blockaden aus dem Weg geräumt werden. Andererseits haben die Staaten in der Region kein Interesse an einer weiteren kriegerischen Auseinandersetzung. Zwar wird manchmal behauptet, Saudi-Arabien und die anderen arabischen Staaten seien nach Annapolis gekommen, weil sie Angst vor dem Iran haben. Ich würde aber sagen, die Angst vor einer kriegerischen Auseinandersetzung ist noch deutlich größer. Deshalb ist die Teilnahme auch ein Signal an die Amerikaner: ,Wir unterstützen euch gerne, da wir auch ein Interesse daran haben, dass der israelisch-arabische Konflikt gelöst wird. Aber wir erwarten auch, dass ihr unsere Interessen im Hinterkopf behaltet, wenn ihr weitere Aktionen in der Region plant.'

Welche Rolle spielt eigentlich noch der Nahost-Vermittler Tony Blair?

Vielleicht sollte man die Frage anders herum stellen: Welche Rolle hat der Quartett-Beauftragte bisher gespielt? Er hat sich bislang nicht als Vermittler betätigt, was aber vor allem daran liegt, dass das Quartett, beziehungsweise die USA, ihm dazu nicht das Mandat erteilt haben. Er sollte sich vielmehr darauf konzentrieren, wie man die wirtschaftliche Entwicklung in den Palästinensergebieten wieder in Gang bringen und wie man die politischen Institutionen reformieren kann. Da hat er Vorschläge ausgearbeitet. Die werden aber nicht fruchten, solange die politischen Blockaden nicht gelöst sind.

ZUR PERSON: Muriel Asseburg ist Leiterin der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.


Das Gespräch führte Ruth Ciesinger

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