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Politik: Exportschlager

Ein Buch greift den deutschen Waffenhandel an

„Der Tod ist ein Meister aus Oberndorf.“ Das jedenfalls schreibt Jürgen Grässlin, dessen Buch „Versteck dich, wenn sie schießen“ an diesem Donnerstag erscheint. Der Meister, berichtet Grässlin, heißt Heckler & Koch und ist der größte deutsche Hersteller von Handfeuerwaffen. Zur Meisterschaft gebracht habe das schwäbische Unternehmen am Neckar die Produktion von Kleinwaffen: Kaum ein Krieg fand und findet demnach ohne den Einsatz seiner Waffen statt. Allen voran steht das deutsche Sturmgewehr G-3, nach der Kalaschnikow die häufigste Kleinwaffe: Sieben Millionen dieser Gewehre seien weltweit im Einsatz. Auch dessen Nachfolger, das G-36, gilt bereits als neue Wunderwaffe. Die Folge dieser Firmen-Erfolgsstory listet der Kriegsgegner Grässlin auf: 1 512 000 Tote, die seit 1961 allein auf das Konto von Heckler & Koch gehen.

„Es sind vor allem Zivilisten, die durch die in Oberndorf entwickelten Maschinenpistolen und Gewehre umkommen“, sagt der Autor, der, um über die Folgen des ungeregelten Handels mit Waffen zu berichten, nach Afrika und in die Türkei gereist ist, bis zu einem jungen Mädchen aus Somalia und einem kurdischen Lehrer. Was die beiden miteinander verbindet, ist das in Deutschland entwickelte G-3, die Standardwaffe der Bundeswehr.

Das Mädchen verlor seine Mutter durch die Kugel einer G-3, der Kurde berichtete Grässlin von seiner Gefangenschaft und der permanenten Bedrohung durch Soldaten, die geschultert die G-3-Gewehre trugen.

Daran hält Grässlin die Regierung mitschuldig: „Deutschland sollte als führender Friedensbefürworter auftreten und nicht als führender Waffenexporteur.“ Stattdessen ignoriere man in der Praxis sogar eigene Regelungen wie die Endverbleibsverträge. Mit diesen soll sichergestellt werden, dass Kleinwaffen, mit denen eine Kriegsregion ausgestattet wurde, nicht aus zweiter Hand von einem Bürgerkrieg zum nächsten gebracht und gehortet werden. „Aber hier drückt die Regierung beide Augen zu, selbst wenn die Türkei offen mit dem Waffenexport wirbt.“

Auch in einem Krieg gegen den Irak, mit dem Grässlin „in sehr kurzer Zeit“ rechnet, werde sich das übliche Kriegsprozedere wiederholen: „Erst fallen die Bomben aus der Luft, dann kommen Bodentruppen mit Kleinwaffen.“ Die G-3 sei dann wieder in der Nähe: diesmal in den Händen der Iraner.

Als Autor hat sich Jürgen Grässlin bereits mit zwei Biografien, unter anderem über den Chef von DaimlerChrysler, Jürgen Schrempp, einen Namen gemacht. Der „Spiegel“ bezeichnete ihn als Deutschlands wohl prominentesten Rüstungsgegner. Auf seiner Lesetour wird Grässlin sein Buch auch in der Nähe von Oberndorf vorstellen. In der Stadt selbst liest er jedoch nicht. Seine Erklärung: „Das Buch wird man dort in keiner Buchhandlung finden. Und noch aussichtsloser ist es, dort einen Vortrag zu halten.“ Stattdessen geht er am 22. März auf die Straße. Als Sprecher des „Deutschen Aktionsnetzes Kleinwaffen stoppen“ hat er eine Demonstration vor dem Firmengelände von Heckler & Koch geplant.

Isabella Kroth

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