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Bundeskanzlerin Merkel und der rumänische Präsident Basescu reden angeregt auf dem EU-Gipfel miteinander.

© Reuters

EZB, Grenzen, Kroatien: Staats- und Regierungschefs streiten sich zu Beschlüssen

Eigentlich sollte es Formsache sein - doch dann gab es unerwarteten Gipfelstreit um den neuen EZB-Chef. Auch zu neuen Grenzkontrollen und zur Aufnahme Kroatiens finden die Regierungschefs nur mühsam Kompromisse.

Ein heftiger Streit um die Führungsposten bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hat den Abschluss des EU-Gipfels am Freitag in Brüssel überschattet. Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten konnten sich zunächst nicht auf die Ernennung des Italieners Mario Draghi zum neuen EZB-Präsidenten einigen. Frankreich verlangte den Rückzug von Draghis Landsmann Lorenzo Bini Smaghi aus dem EZB-Direktorium, um nach dem Ausscheiden des bisherigen Präsidenten Jean-Claude Trichet überhaupt noch in dem Gremium vertreten zu sein.

Bini Smaghi habe am Freitag telefonisch angeboten, auf seinen Direktoriumssitz zu verzichten, sagten EU-Diplomaten. Damit wollte er den Weg für Draghi an die Spitze der Bank freimachen. Die Gipfelrunde erwog aber, zunächst nur eine politische Entscheidung zugunsten Draghis zu treffen, die verbindliche Ernennung jedoch aufzuschieben.

Da die Zentralbank unabhängig sein soll, kann die Politik Direktoriumsmitgliedern eigentlich nicht vorschreiben, ihren Posten vorher zu räumen. Die Amtszeiten der Direktoriumsmitglieder sind laut Statut der Notenbank auf acht Jahre festgelegt.

Am Ende einigten sich die Staats- und Regierungschefs dann doch: EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy twitterte kurz vor Mittag Vollzug. Draghi wird seinen neuen Posten am 1. November antreten.

Reisende müssen mit Kontrollen rechnen

Bei einem anderen Gipfelthema fanden die Staats- und Regierungschefs trotz zunächst unterschiedlicher Positionen bis zum Morgen einen Kompromiss: Reisende in Europa müssen künftig wieder mit Grenzkontrollen rechnen. Als Mittel gegen illegale Einwanderung sollen Kontrollen wieder erlaubt werden - allerdings örtlich und zeitlich begrenzt. Das geht aus dem Entwurf der Abschlusserklärung des Gipfels hervor.

Die EU-Kommission soll bis September einen Vorschlag vorlegen, ob und wie der Schengen-Vertrag über das Reisen ohne Grenzkontrollen dafür verändert werden kann. Die Debatte über Schengen ist eine Konsequenz des Flüchtlingsstroms aus Nordafrika.

Bei der Schengen-Debatte macht der Gipfel enge Vorgaben und betont das Prinzip der Reisefreiheit. Kontrollen seien nur erlaubt „in wahrhaft kritischen Situationen, in denen ein Mitgliedstaat nicht mehr in der Lage ist, seine Verpflichtungen gemäß den Schengen-Vorschriften in Bezug auf die Verhütung der illegalen Einwanderung von Angehörigen von Drittstaaten zu erfüllen“, heißt es im Text. Es müsse „hohen Druck“ an den Grenzen geben.

Nach einem Grenzstreit um tausende tunesische Wirtschaftsmigranten hatten Frankreich und Italien eine Änderung des Schengen-Vertrags verlangt. Doch viele EU-Mitglieder, darunter Deutschland, stehen Vertragsänderungen skeptisch gegenüber. Auch Dänemark will an den Grenzen zu Deutschland und Schweden mit Kontrollen die internationale Kriminalität bekämpfen. Dem Schengen-Raum gehören heute 25 Staaten an, 22 EU-Länder sowie Norwegen, Island und die Schweiz.

Kroatien darf betreten

Der Gipfel segnete am zweiten Tag der Veranstaltung auch den Beitritt Kroatiens als 28. Mitglied der Europäischen Union ab. Für Kroatien sollen die Beitrittsverhandlungen schon bis Ende dieses Monats offiziell abgeschlossen werden, der Vertrag könnte bis zum Jahresende unterschrieben werden. Das geplante Beitrittsdatum 1. Juli 2013 steht nicht ausdrücklich im Entwurf der Gipfelerklärung.

Kroatien wird aufgefordert, politische Reformen im Justizbereich und bei Grundrechten „mit unvermittelter Kraft“ fortsetzen, um seinen Pflichten als EU-Mitglied nachkommen zu können. „Eine Beobachtung dieser Reformbemühungen bis hin zum Beitritt wird Kroatien und den EU-Mitgliedern die nötige Sicherheit geben“, heißt es in dem Papier.

Der EU-Gipfel warnte die Palästinenser vor der Ausrufung eines Palästinenserstaates. „Der Europäische Rat fordert alle Parteien auf, von einseitigen Maßnahmen abzusehen, die einer umfassenden Lösung nicht zuträglich sind“, heißt es im Entwurf einer Gipfel-Erklärung vom Freitag in Brüssel. Damit beziehen sie sich auf eine im September für möglich gehaltene einseitige Unabhängigkeitserklärung der Palästinenser. In der Erklärung heißt es auch, der „Verhandlungsstillstand“ zwischen Israelis und Palästinensern müsse überwunden werden. (dpa)

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