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Fall Acandor: Polit-Pingpong

Wie die EU-Kommission im Fall Arcandor zwischen die Fronten von SPD und Union geriet.

Von Antje Sirleschtov

Hat die EU-Kommission der Bundesregierung untersagt, dem strauchelnden Handelskonzern Arcandor aus dem Deutschlandfonds Staatshilfen zu geben? So konnte man Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Mittwoch verstehen. Oder nutzt der Minister die grundsätzlich kritische Haltung der liberalen EU-Wettbewerbskommissarin Nelli Kroes zu Staatshilfen in seinem Sinn und überinterpretierte deren Position als „klare Ansage“ der gesamten EU-Kommission?

Zumindest in der SPD-Spitze wird Letzteres vermutet. Aber auch in Guttenbergs eigener Partei. Von einem abgekarteten Spiel zwischen Kroes und Guttenberg war am Donnerstag in der SPD die Rede und davon, dass der CSU-Minister die Kommissionshaltung ins Negative überdeutet habe. Für die Sozialdemokraten in der Regierung ein klares Zeichen dafür, dass Guttenberg seiner Aufgabe – nämlich sich für die Interessen der deutschen Unternehmen in Brüssel einzusetzen – nicht nachkommt.

Allerdings – und das ist im internen Regierungs-Hickhack um Arcandor ein wichtiger Hinweis – stützt auch der sozialdemokratische EU-Kommissar Günter Verheugen die Sichtweise seiner Kollegin in Brüssel und damit letztlich die Interpretation des deutschen Wirtschaftsministers. Im Deutschlandfunk sagte Verheugen am Donnerstag, Staatshilfen für den angeschlagenen Kaufhauskonzern könne man nicht ausschließen. Die Voraussetzungen für Bürgschaften aus dem Deutschlandfonds jedoch erfülle der Konzern nicht. Was dahinter steckt, ist komplizierteste EU-Förderlogik. Man muss unterscheiden zwischen Staatshilfen aus dem Deutschlandfonds und sogenannten Rettungs- und Überbrückungsbeihilfen. Ein Arcandor-Sprecher teilte am Donnerstagabend mit, dass das Unternehmen einen Antrag auf staatliche Rettungsbeihilfe vorbereite. Der Antrag werde noch am Donnerstagabend oder am Freitagmorgen eingereicht, sagte er.

Als die Wettbewerbskommissarin am Mittwoch darauf hinwies, der Arcandor-Konzern sei „nicht förderwürdig, weil er schon vor dem 1. Juli in Schwierigkeiten gewesen ist“, bezog sich das auf die Hilfen aus dem Deutschlandfonds. Diesen hat die EU-Kommission für krisengeschädigte Unternehmen im vergangenen Herbst vorsorglich notifiziert, um eine möglichst schnelle Stützung der Wirtschaft zu ermöglichen. Allerdings unter Auflagen. Und dazu gehört, dass ein Unternehmen, das Hilfen aus dem Fonds erhalten will, vor dem 1. Juli 2008 nicht in Bedrängnis gewesen sein darf. Auf Arcandor dürfte das – wie Kroes festgestellt hat – nicht zutreffen. Der Weg für „Rettungsbeihilfen“ ist davon nicht berührt.

Drei Tage vor der Europawahl hat der Sozialdemokrat Martin Schulz für derlei Betrachtungen überhaupt kein Verständnis. „Wenn eine Rettung von Arcandor ohne Staatsbeteiligung nicht klappen sollte und der Staat – allerdings mit zeitlicher Befristung – hilft, dann ist das der richtige Weg“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament dem Tagesspiegel. Kroes repräsentiere „genau die EU, die wir nicht brauchen – wo nämlich nur am Grünen Tisch nach formellen Gesichtspunkten entschieden wird“. Sie habe „ihr gesamtes berufliches Leben in Vorständen und Aufsichtsräten als Vertreterin des Kapitals verbracht“ und sei eine „Chefpropagandistin des ungehemmten Wettbewerbs, die an dem Erhalt der Arbeitsplätze der betroffenen Arbeitnehmer kein Interesse hat“.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) übrigens sieht die Voraussetzungen für erleichterte Bürgschaften erfüllt und beruft sich dabei auf ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers. Darin stehe, dass sich vor der Wirtschaftskrise weder die Arcandor AG noch wesentliche Unternehmensteile wie Quelle oder Karstadt in Schwierigkeiten befunden hätten. Allerdings wird in dem Gutachten vom 28. Mai auch ausdrücklich vor einem Bürgschaftsengagement des Staates gewarnt. Dieses sei „aufgrund der in einem sehr schwierigen und von hoher Wettbewerbsintensität gekennzeichneten Marktumfeld umzusetzenden Maßnahmen mit deutlichen Risiken behaftet“, heißt es darin.

Seehofer habe sich ja keineswegs in der Sache festgelegt, relativiert sein Sprecher. Er habe sich aber dagegen gewandt, dass die EU-Kommission „im Schnellverfahren eine Einschätzung rausgeblasen hat“. Anders als bei Opel – wo Seehofer die Skepsis seines CSU-Parteifreundes Guttenberg teilte – ist der Freistaat im Falle Arcandor stark betroffen: Laut Staatskanzlei geht es für Bayern mit dem Quelle-Standort Fürth insgesamt um 20 000 Stellen.

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