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Fall Kurnaz: Alle Blicke ruhen auf Steinmeier

Die Rolle der rot-grünen Regierung im Fall Kurnaz gibt weiter Unklarheiten auf. Außenminister Steinmeier erklärt, es sei ihm kein "offizielles Angebot" der USA für die Rückkehr von Kurnaz nach Deutschland bekannt.

Berlin - Frank-Walter Steinmeier sei der wichtigste Zeuge für den Untersuchungsausschuss. "Mit seiner Anhörung könnten wir uns die Fragen drum herum vielleicht sogar ersparen", erklärte Siegfried Kauder (CDU). Steinmeiers Auftritt wird jedoch erst für März erwartet, da zuvor andere Zeugen gehört werden sollen. Er hatte sich am Dienstag erstmals öffentlich zu den Vorwürfen geäußert, die Regierung habe 2002 ein Angebot der USA abgelehnt, den aus Bremen stammenden Türken Kurnaz wegen offensichtlicher Unschuld freizulassen. Dies sei "erstens falsch und zudem schlicht infam", sagte Steinmeier, der damals Kanzleramtschef und zuständig für die deutschen Geheimdienste war. Er kenne kein solches Angebot. In seinem Umfeld hieß es, es habe sich damals nur um Planspiele von Mitarbeitern des US-Geheimdienstes CIA gehandelt.

USA war an Rückkehr interessiert

Der Obmann der Sozialdemokraten im ebenfalls mit Kurnaz befassten CIA-Ausschuss des Europäischen Parlaments, Wolfgang Kreissl-Dörfler, sagte: "Ich weiß nicht, ob Herr Steinmeier davon gewusst hat". Es habe aber ein Angebot gegeben. Nach einem Bericht des Magazins "Stern" beschwerte sich der Leiter der US-Nachrichtendienste in München im November 2002 bei einem hochrangigen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND), dass die Deutschen Kurnaz die Rückkehr in die Bundesrepublik verweigerten. "Im Fall Kurnaz hätte eine andere Entscheidung im Interesse der USA gelegen", habe daraufhin ein BND-Mitarbeiter an den damaligen Präsidenten seines Amtes und heutigen Innenstaatssekretär, August Hanning, geschrieben.

Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) lehnte es im Gespräch mit der "Netzeitung" ab, als Konsequenz aus den Vorgängen im Fall Kurnaz dem Bundestag eine stärkere Kontrolle der Geheimdienste zuzugestehen. "Eine Kontrolle im Lichte der Öffentlichkeit kann es nicht geben, will man die Arbeit der Geheimdienste nicht grundsätzlich in Frage stellen. Wir würden von Partnerdiensten kein Material erhalten, wenn man darüber anschließend in der Zeitung lesen kann."

Warum durfte Kurnaz nicht nach Deutschland zurück?

Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung gehen das Landeskriminalamt und der Verfassungsschutz in Bremen davon aus, dass Kurnaz 2001 in terroristischer Absicht nach Pakistan gereist sei. Der Tagesspiegel zitiert aus der Mitteilung eines CIA-Verbindungsbeamten in Berlin an das Bundesamt für Verfassungsschutz am 24. Februar 2003: "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird seiner Verlegung aus Guantánamo nicht zugestimmt." Amerikanische Vernehmer seien zu der Einschätzung gekommen, offenbar sei Kurnaz nicht "vollkommen ehrlich und mitteilsam bezüglich seiner Abenteuer in Pakistan".

Kurnaz' Anwalt Bernhard Docke hatte in der vorigen Woche im Untersuchungsausschuss erklärt, er könne diesen Eindruck nachvollziehen. Bewiesen sei aber, dass sich sein Mandant nichts habe zu Schulden kommen lassen und, dass das von der Bremer Staatsanwaltschaft wegen Terrorverdachts eingeleitete Verfahren wieder eingestellt wurde. Auch der FDP-Obmann im BND-Ausschuss, Max Stadler, sagte, es habe am Anfang Verdachtsmomente gegeben, aber die seien "später eben nicht erhärtet worden". Steinmeier müsse erklären, warum Kurnaz nicht nach Deutschland kommen sollte, "obwohl er in Bremen geboren ist, in Deutschland aufgewachsen ist, Zeit seines Lebens nur in Deutschland gelebt hat", sagte er dem Bayerischen Rundfunk.

Kurnaz war im November 2001 in Pakistan festgenommen und US-Soldaten in Afghanistan übergeben worden. Von dort aus wurde er im Februar 2002 in das US-Gefangenenlager Guantánamo gebracht, wo er bis August 2006 ohne Prozess saß und gefoltert wurde. (tso/dpa/AFP)

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