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Fall Kurnaz: Wachsende Kritik an Steinmeier

Im Fall Kurnaz gerät Außenminister Frank-Walter Steinmeier zunehmend in Erklärungsnot. Die rot-grüne Bundesregierung soll die Freilassung des früheren Guantanoamo-Häftlings Murat Kurnaz verzögert haben.

Berlin - Die rot-grüne Regierung, in der Steinmeier Kanzleramtschef war, habe nach "internen Regierungsunterlagen" nicht nur die Freilassung von Kurnaz aus Guantanamo verzögert, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf vertrauliche Dokumente der Regierung. Die Regierung habe noch 2005 versucht, einen neuen Terrorverdacht gegen den in Bremen geborenen Türken zu konstruieren.

Nach Informationen der Zeitung war die Bundesregierung schon 2002 darüber informiert, dass Kurnaz in Guantanamo physisch und psychisch misshandelt wurde. Beamte des Bundesnachrichtendienstes und des Verfassungsschutzes, die Kurnaz im September 2002 auf Kuba verhörten, hätten zudem keine Belege für terroristische Aktivitäten von Kurnaz gefunden. Dennoch habe die rot-grüne Regierung noch nach der Bundestagswahl 2005 versucht, eine Rückkehr von Kurnaz nach Deutschland zu verhindern.

Steinmeier soll gegen "Wiedereinreise" gewesen sein

Aus den Dokumenten gehe hervor, dass Bundesinnenministerium und Bundesamt für Verfassungsschutz hofften, von US-Seite weitere Informationen gegen Kurnaz zu bekommen, die den Verdacht der Unterstützung des internationalen Terrorismus erhärteten. "Derzeit läuft eine Anfrage der Sicherheitsbehörden an die US-Seite", zitiert das Blatt aus einem Vermerk des Auswärtigen Amtes vom 26. Oktober 2005. Der Verfasser habe auch notiert, dass Steinmeier gegen eine "Wiedereinreise" von Kurnaz nach Deutschland sei.

Der Vorsitzende des Geheimdienste-Untersuchungsausschusses, Siegfried Kauder (CDU), sagte, für konkrete Vorwürfe gegen Steinmeier sei es noch zu früh. Sollte die damalige rot-grüne Bundesregierung es aber tatsächlich unterlassen haben, sich für einen unschuldig einsitzenden Bürger einzusetzen, könne dies "nicht ohne Konsequenzen bleiben".

Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen nannte die Vorwürfe gegen Steinmeier "gravierend". Sie müssten aufgeklärt werden, "deshalb haben wir ja einen Untersuchungsausschuss eingesetzt", sagte er. Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte eine "lückenlose" Aufklärung. Dabei dürfe die Akteneinsicht nicht durch die Bundesregierung erschwert werden. Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin sagte, es sei unbestritten, "dass das Bundesinnenministerium damals mit Deckung des Kanzleramts versucht hat, die Freilassung von Murat Kurnaz zu hintertreiben". Die Frage sei jetzt, wer das veranlasst habe.

Offenbar weitreichende Bedingungen für Freilassung

Der Rechtsexperte der Links-Fraktion, Wolfgang Neskovic, forderte Steinmeier auf, sich öffentlich zu dem Vorwurf zu äußern, die Bundesregierung sei bestrebt gewesen, Kurnaz nicht nach Deutschland zurückzulassen. Falls Steinmeier keine "tragfähige Erklärung" geben könne, sei der Minister "nicht länger im Amt zu halten". Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, war die US-Offerte zur Freilassung von Kurnaz im Jahr 2002 offenbar an weit reichende Bedingungen geknüpft. So sollten deutsche Behörden garantieren, dass Kurnaz nach seiner Rückkehr keinerlei terroristische Aktivitäten entfalten könne. Darüber hinaus hätte Deutschland auch mindestens zwei in Guantanamo inhaftierte Angehörige der muslimischen Minderheit in Westchina aufnehmen müssen. Daraufhin habe Berlin das Angebot abgelehnt. (Von Manfred Rey und Helmut Stoltenberg/dpa)

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