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Politik: Fantastische Politik

Von Ursula Weidenfeld

Finanzpolitiker reden gern über Eleganz. Mit dieser Vokabel versuchen sie zu beschreiben, ob eine Steuer einfach oder schwer einzutreiben ist, ob sie Umgehungstatbestände provoziert oder nicht, ob sie viele Ausnahmen braucht. Elegante Steuern sind einfach, zuverlässig und nicht aufwändig. So gesehen ist die Mehrwertsteuer eine besonders elegante Steuer. Sie ist vergleichsweise leicht zu erheben, funktioniert ordentlich, und sie ist neutral: das heißt, dass sie das Verhalten der Steuerbürger nicht beeinflusst, weil sie ja auf fast alle Produkte und Dienstleistungen gleichmäßig erhoben wird.

Weil die Mehrwertsteuer – im Gegensatz etwa zum Halbeinkünfteverfahren in der Einkommensteuer – so elegant ist, hat sie viele Freunde unter den Finanzpolitikern. Und weil sie zudem auch noch zu einem großen Teil in die Kassen der Länder fließt, hat sie noch mehr Freunde unter den Länderfinanzpolitikern. Deshalb stammt die Anregung, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, meist aus den Ländern.

Diesmal kam sie aus dem unionsregierten Baden-Württemberg. Nun kann man sich darauf verlassen, dass es nicht die bestechende Eleganz der Mehrwertsteuer ist, die Finanzminister Gerhard Stratthaus dazu gebracht hat, eine Erhöhung zu fordern. Oder den sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt, ihm umgehend zuzustimmen. Sondern, dass es sich vermutlich allenfalls um eine CDU-interne Kabbelei handelt, mit der die Baden-Württemberger und Sachsen die Parteivorsitzende Angela Merkel ärgern wollen. Denn: In diesem und im kommenden Jahr wird es weder eine große noch eine kleine Steuerreform geben, das ist allen Beteiligten klar. Es gibt einfach zu viele Wahlen, um das politische Risiko eines solchen Vorhabens kalkulierbar zu machen.

Das gilt für alle Parteien. Was die CDU angeht, ist die Lage noch vertrackter: Sie muss erst einmal alles tun, um an die Regierung zu kommen. Und da sind Diskussionen über Steuererhöhungen gleich welcher Art vor allem schädlich. Zweitens aber ist die Mehrwertsteuererhöhung, von der der Minister Stratthaus sprach, in den Büchern der Union bereits mehrfach eingestellt. Einmal braucht die CDU Geld für einen umfassenden sozialen Ausgleich, wenn sie die grundlegende Reform des Gesundheitswesens mit der so genannten Kopfpauschale organisieren will. Und außerdem braucht sie Geld, wenn sie – dereinst als Regierungspartei – ihre geplante eigene große Steuerreform wirklich machen will: Soll die Einkommen- und Körperschaftsteuer nämlich tatsächlich so umgebaut werden, dass es am Ende nur noch drei Steuertarife gibt, kostet das viel Geld. Eine Mehrwertsteuererhöhung vor dem ersehnten Regierungswechsel würde den finanzpolitischen Spielraum der Union zu stark beschneiden.

Das ist der Grund, warum es in diesem Jahr keine Mehrwertsteuererhöhung geben wird. Und das ist auch richtig so: Es wäre zwar richtig, das Steuersystem so umzubauen, dass die eleganten Steuern mehr Gewicht bekommen, die uneleganten dagegen an Bedeutung verlieren. Aber nur in diesem Zusammenhang wäre eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vernünftig. Alles andere wäre nichts anderes als eine offene Steuererhöhung. Und die kann sich in diesem und im kommenden Jahr weder eine Regierungs- noch eine Oppositionspartei leisten – wer auch immer noch von einer besonders eleganten Lösung für die Finanzprobleme von Bund und Ländern träumen mag.

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